Miles Flint 05 - Paloma
Auftrag, sich die Kisten zu schnappen und hineinzubefördern.
Als der erste Roboter auftauchte – ein kleiner Derwisch, dessen Aufgabe normalerweise das Servieren von Getränken war – befahl sie ihm, mit den Kisten in der Mitte anzufangen. Auf diese Weise konnte sie selbst schneller in ihre Wohnung hineingelangen.
Hebewerkzeuge schoben sich aus den schmalen Seiten des Roboters hervor und hoben die Kiste an, stemmten sie über den Derwisch hinaus in die Luft, als wiege sie rein gar nichts. Ein halbes Dutzend anderer Roboter tauchte nun ebenfalls auf, alle versehen mit der gleichen Arbeitsanweisung. Von sämtlichen Robotern erklang ein leiser, tieftönender Summton, den Roboter von Gesetzes wegen zu erzeugen hatten, damit niemand überrascht wurde, wenn sie sich näherten.
Jeder Bot schnappte sich eine Kiste oder zwei oder vier und trug sie in die Wohnung, beförderte sie den Korridor hinunter bis in Bowles Heimbüro – oder den Raum, den sie ihr Heimbüro nannte. Sie hatte nie genug Zeit zu Hause verbracht, um tatsächlich darin zu arbeiten. Ihre Wohnung benutzte sie vorwiegend zum Schlafen.
Speisen wurden im Vorübergehen verzehrt; Nachforschungen im Büro erledigt; Entspannung jeglicher Art – Hologeschichten, 2-D-Filme, Bücher – wurden in einem besonderen Raum bei InterDome genossen, in einer von Armstrongs vielen Bibliotheken oder in einer Ecke eines ihrer Lieblingsrestaurants.
Überwiegend hatte sie gearbeitet – Personen interviewt, die interessant genug für einen Bericht erschienen, gefilmt, was immer ihr als ungewöhnlich aufgefallen war, Tatorte aufgesucht, nur um sicherzustellen, dass alles ordnungsgemäß vonstatten ging. Selbst ihre persönlichen Interessen hatten mit ihrer Arbeit zu tun: Sie hatte kurz nach der jüngsten Krise auf dem Mars begonnen, die Sprache der Disty zu lernen, und einige Zeit damit zugebracht, sich über rudimentäre Elemente der Gesetzgebung der Erdallianz zu informieren, nur um erkennen zu müssen, dass all das, was sie zu wissen geglaubt hatte, rein gar nichts war.
Sie trat durch die Öffnung, die die Bots hinterlassen hatten, und ging in ihre Wohnung. Abgesehen von der Flurbeleuchtung, die sich automatisch einschaltete, war es dunkel. Normalerweise aktivierte sie die Lichter in dem Moment, in dem sie einen Raum betrat, aber dieses Mal zögerte sie.
Das Wohnzimmer erschien ihr fremd. Sie hatte die Couch und die drei extrabreiten Sessel gekauft, weil sie sie für ideal für die Art von Besprechungen gehalten hatte, die sich im Zuge von Recherchen regelmäßig ergaben, aber sie hatte sie nie benutzt. Sie besaß eine Monitorwand. Jeder Monitor war gerahmt wie ein Kunstwerk, aber sie wirkten sonderbar leer, wenn nichts auf ihnen erschien, beinahe unheimlich, als warteten sie auf irgendwelche Familienbilder, die sie mit Leben erfüllen würden.
Die Wohnung roch staubig, verlassen – keine Essensgerüche, keine programmierten Düfte wie Meeresbrise oder Immergrün, nicht einmal ein Hauch des Parfüms, das sie selbst trug. Es gehörte zu den selbstverständlichen Aufgaben der Bots, die Luft zu reinigen. Wie es schien, hatten sie, da es nichts zu reinigen gab, gleich sämtliche Gerüche eliminiert.
Der letzte Bot kam mit der letzten Kiste herein und verschwand am Ende des Korridors in dem versteckten Büro. Die Wohnungstür schloss sich automatisch hinter ihm.
»Licht an«, flüsterte Bowles.
Hell sah der Raum keine Spur besser aus. Er war schäbig und abstoßend, erinnerte an einen Ausstellungsraum, der nicht mehr genutzt wurde. Keine Kissen auf der Couch, keine Kuhle, die ein Körper beim Sitzen hinterlassen hatte. Hatte sie mehr als einige wenige Augenblicke auf dieser Couch gesessen? Sie konnte sich nicht erinnern, was vermutlich bedeutete, dass sie es wohl nicht getan hatte.
»Deprimierend«, murmelte sie, als sie in die Küche ging. Ihre Küche war stets gut ausgestattet, nur für den Fall, dass sie doch einmal zu Hause essen wollte. Die Vorräte in Ordnung zu halten, verschaffte den Bots wenigstens etwas Beschäftigung. Sie bezahlte eine Menge Geld für diese Wohnung und die Bots, die sie instandhielten. Sie hatte stets das Gefühl gehabt, sie müsse sie beschäftigen, obwohl sie es vermutlich gar nicht merken würden, wenn sie nichts zu tun hatten.
Sie nahm sich eine Flasche Echtes Erdenwasser und öffnete sie. Den Deckel warf sie in den Recycler, ehe sie den Korridor hinunterging.
Gemessen an dem, was in Armstrong als üblich gelten konnte, war die
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