Miles Flint 06 - Kallisto
war, aber das hielt sie nicht davon ab, zum Hafen zu gehen. Sie hatte Hakim Olaniyans Anwaltsvorschuss bezahlt und ihm gesagt, er möge die Dokumente zurückhalten, bis sie sich wieder bei ihm gemeldet hatte. Dann hatte sie das nächste Lufttaxi herbeigewunken und dem verdammten Ding gesagt, es solle sich ein bisschen beeilen, als es quer durch das Valhalla Basin flog.
Dennoch kam sie erst nach Zagrando am Treffpunkt, dem einzigen Restaurant des Hafens, an. Er war nicht hineingegangen, sondern marschierte mit angespannter Miene auf und ab. Ein paar Passanten starrten ihn an, als wären sie seinetwegen beunruhigt, aber die Sicherheitsbediensteten, die ihn passierten, nickten ihm nur grüßend zu.
Das Restaurant befand sich mitten im Zentrum der Kuppel, dort wo wenige Meter hinter einer Sicherheitsabsperrung auch die Jacht der Kanzlei lag.
»Haben Sie überhaupt überprüft, dass das wirklich unser Mann ist?«, fragte sie, als sie auf ihn zuging.
Zagrando musterte sie mit gerunzelter Stirn und hielt in seiner Wanderung inne. Er schob die Hände in die Taschen, eine jungenhafte Geste, die überhaupt nicht zu der Anspannung passen wollte, die vom Rest seines Körpers Besitz ergriffen hatte.
»Stellen Sie sich vor«, sagte er, als er sie zur Sicherheitsschleuse führte, »er fliegt eine Jacht, die ausgerechnet den Namen Emmeline trägt. Ich habe mir die ganze Kommunikation angesehen, die zwischen ihm und dem Hafen stattgefunden hat. Die Landung ist ihm verweigert worden, bis er erklärt hat, er sei Rhonda Shindo-Flints Exmann. Daraufhin hat man ihm eine Aufenthaltsgenehmigung für zweiundsiebzig Stunden erteilt.«
»Und das hat keinen Alarm ausgelöst?«
»Zunächst nicht«, antwortete Zagrando. »Nicht, bis sie eine Hintergrundüberprüfung durchgeführt haben. Anscheinend hat Shindo eine Botschaft hinterlassen, derzufolge sie informiert werden wollte, sollte er je herkommen. Sie haben versucht, sie zu kontaktieren und sind über die Bekanntmachung der Polizei gestolpert.«
Gonzalez ergriff seinen Arm. »Der Hafen wusste nicht, dass sie vermisst wird?«
»Dieser Teil der Hafensicherheit kümmert sich ausschließlich um die Einreisenden, nicht um die Abreisenden. Wir haben lediglich mit dem Abreisebereich zusammengearbeitet. Bisher ist dabei nichts herausgekommen.«
Sie schüttelte den Kopf, im Inneren zutiefst erleichtert, dass sie in Armstrong zu Hause war. Armstrong war die älteste und belebteste Hafenstadt abseits der Erde, und die Sicherheitsprozeduren überdauerten bereits mehrere Generationen.
»Sonderbar, dass er plötzlich hier auftaucht«, sinnierte Gonzalez.
»Das dachte ich auch«, entgegnete Zagrando. »Ich habe mir den Flugplan angesehen, den er im Zuge seines Einreiseantrags eingereicht hat, und ich habe Rücksprache mit dem Mond gehalten. Er ist nicht lange nach Ihnen aufgebrochen und plangemäß hier eingetroffen, vielleicht sogar ein bisschen früher. Der Mann hat offensichtlich Geld.«
»Den Gerüchten zufolge hat er es der Polizei gestohlen.«
Verwundert starrte Zagrando sie an. »Ich dachte, er wäre selbst Polizist gewesen.«
»Er hat gekündigt und ist noch in derselben Woche zu Reichtum gekommen.«
»Aber die Polizei von Armstrong hat gewiss nicht genug Geld, es sich stehlen zu lassen, ohne den Dieb strafrechtlich zu belangen.«
»Die Leute, die glauben, den Durchblick zu haben, sind überzeugt, er hätte Informationen gestohlen, die Millionen wert sind.«
»Und Sie? Was denken Sie?«
»Dass ich zu viel Zeit damit zubringe, mir Klatschgeschichten über das Netz anzusehen.«
Sie lächelte ihn an, um ihren Worten die Härte zu nehmen, und ließ sich von ihm durch die Sicherheitsschleuse führen. Im Grunde kümmerte es offenbar niemanden, wohin sie gingen. Was im krassen Gegensatz zu der fürchterlichen Warteschlange stand, die sie auf dem Weg hinein erlebt hatte.
»Also, ist er ein Verdächtiger?«, fragte sie.
»In Hinblick auf die Shindo-Entführung?« Zagrando zuckte mit den Schultern. »Jeder ist verdächtig, bis wir herausgefunden haben, was wirklich passiert ist.«
»Aber wie verdächtig ist er? Sehen Sie einen Verdächtigen in ihm?«
Zagrando seufzte. »Es kommt mir merkwürdig vor, dass er gleich nach diesem Vorfall hier auftaucht. Hätte er sich die Mühe gemacht, einen Beschaffer anzuheuern – was ein wenig sonderbar wäre, wenn man bedenkt, dass Flint Lokalisierungsspezialist ist –, aber wenn er sich diese Mühe gemacht hätte, warum sollte er den Mann dann
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