Miles Flint 06 - Kallisto
angetan. Ihnen beiden. Sie hatte getrauert, ebenso wie er. In gewisser Weise war ihre Trauer erschreckender gewesen als die seine. Nie hatte er irgend jemanden so die Kontrolle verlieren sehen, wie Rhonda es kurz nach der Beerdigung getan hatte. So etwas hätte er nie für möglich gehalten.
Eine Frau wie Rhonda konnte Trauer nicht spielen. Sie hätte ohne den passenden Anlass nicht eine Träne vergießen können.
Sie war ebenso wie er überzeugt gewesen, dass Emmeline tot war.
Vor seinem linken Auge blinkte eine Botschaft auf. Das Schiff hatte den Armstrongraum erreicht und bat ihn, wie immer, den Rest des Weges in den Hafen manuell zurückzulegen.
Er selbst hatte diese Anfrage programmiert, vorwiegend, weil er gern manuell flog, aber im Moment ging sie ihm auf die Nerven.
Dennoch stand er auf und nahm den Platz des Piloten ein.
Die Antworten lagen in Armstrong. Irgendwie hegte er den Verdacht, dass diese Antworten höchst einfach ausfallen würden – Paloma hatte eine Datei über ihn angelegt, um Macht über Flint, den Police Officer, zu gewinnen. So manipulativ war sie gewesen. Das passte zu all dem, was er erst vor kurzer Zeit über sie hatte erfahren müssen.
Sie hatte sich Vorteile verschaffen wollen. Die Verheißung, seine geliebte Tochter lebe an einem fernen Ort, noch dazu zu einer Zeit, zu der Flint nicht einfach so zum Kallisto hätte reisen können, war vielleicht schon alles, was nötig wäre.
Er steuerte die Emmeline, das Schiff, das er nach seiner Tochter benannt hatte, weil es, wie er glaubte, nie genug Möglichkeiten für ihn gab, ihr Andenken zu ehren, in den Hafen von Armstrong.
Ein Hafen, der ihm plötzlich nicht mehr vertraut erschien, beinahe, als wäre er Jahre fort gewesen, nicht nur Tage.
Er schüttelte die düstere Stimmung ab und bemühte sich, sein Gleichgewicht wiederzufinden. Er durfte sich nicht von seinen Sehnsüchten leiten lassen. Er musste seinem Intellekt die Oberherrschaft über diese Ermittlungsarbeit geben.
Er musste die Wahrheit herausfinden.
13
R honda stand neben der Tür, als diese sich quietschend öffnete. Sie hatte keine Waffen, nichts, was sie zum Kampf benutzen konnte, sie hatte im Grunde nicht einmal einen Plan, aber sollten diese beiden Idioten die Absicht haben, sie zu fesseln, dann würde sie sich zur Wehr setzen, so gut sie nur konnte.
Dann sah sie, wer sie hinter der Tür erwartete – und was er trug – und hätte beinahe laut aufgelacht.
Einer der beiden Männer, die sie entführt hatten, trug einen Umweltanzug. Nur war dieser Anzug alt und billig gemacht. Der mochte ihn vielleicht in einem Vakuum schützen, möglicherweise konnte er ihn sogar eine Stunde oder so vor Kälte schützen, aber das war auch schon alles.
Sein Gesicht war hinter dem Visier nur verschwommen erkennbar. Das Ding war so alt, und es war ganz verkratzt. Und auch das schadete der Leistungsfähigkeit des Anzugs.
Er blockierte die Tür, als fürchtete er, sie würde davonlaufen. Sie hatte gefühlt, dass das Schiff abgehoben hatte. Sie konnte nicht entkommen, es sei denn, sie bekam Gelegenheit, das Schiff zu durchsuchen und nachzusehen, ob es über Fluchtkapseln gebot. Sie wusste nicht, wie man ein Schiff flog. Aus eigener Kraft konnte sie nicht viel tun.
»Wir gehen zur medizinischen Station.« Seine Stimme klang dünn und unnatürlich. Vermutlich wurde sie durch einen altmodischen Filter verzerrt, statt über eine Kommunikationseinheit geleitet zu werden.
»Gibt es dort eine Dekontaminationseinrichtung?«
»Ich kann nicht … äh … nein.« Offensichtlich hatte er sich vergewissert, als er ihr geantwortet hatte.
»Dann bringen Sie mich zur Schiffsdekontaminationseinheit. Sie haben doch eine an Bord, oder?« Schiffe, die zu Geschäftszwecken im Raum der Erdallianz unterwegs waren, waren gesetzlich verpflichtet, moderne Dekontaminationseinheiten an Bord bereitzuhalten. Schiffe, die auch außerhalb des Allianzraums operierten, mussten sogar noch ausgefeiltere Systeme installieren.
Aber im Hinblick auf Frachtschiffe oder die Transportmittel krimineller Elemente war sie nicht sicher.
»Ich wurde angewiesen, Sie zur medizinischen Station zu bringen.«
Seine Antwort verriet deutlich, dass sie den stämmigen Assistenten vor sich hatte, nicht den Beschaffer selbst.
»Und ich sage Ihnen, dass Sie mich zuerst zur Dekontaminationseinheit bringen sollen. Das dürfte reichen, um die Hälfte der Kontaminationsstoffe zu neutralisieren, ohne dass eine medizinische
Weitere Kostenlose Bücher