Miles Flint 06 - Kallisto
für die Überwachungsanlage gedacht gewesen, aber als sie die Worte ausgesprochen hatte, hatte sie erkannt, dass sie genau das meinte, was sie sagte. Selbst wenn sie allein hatte sein wollen, war es ihr nicht möglich gewesen. Nicht für mehr als ein paar Stunden. Mom behielt sie ziemlich genau im Auge.
Und sie war erst dreizehn.
»Ich schicke dir einen Beistand«, sagte er.
»Ich will keinen Fremden.« Talias Stimme klang brüchig, und auch das hatte sie nicht gewollt.
»Vor drei Stunden hast du mich auch noch nicht gekannt.«
»Sie sind Polizist. Das bedeutet automatisch, dass von Ihnen keine Gefahr ausgeht.«
»Ich habe dir gesagt, dass alles, was du sagst …«
»Mir egal«, unterbrach sie ihn. »Ich habe nichts zu verbergen.«
Die Fahrstuhltür öffnete sich. Hinter ihr lag ein kleiner Raum, von dem ein halbes Dutzend Korridore abzweigten. Es sah eher aus wie eine Art Disty-Labyrinth, nicht wie ein von Menschenhand errichtetes Gebäude.
Nur, dass die Decken für Disty zu hoch waren.
»Du hast nach einem Fenster gefragt«, sagte Zagrando. »Ich habe unterwegs eines für dich aufgetrieben.«
Er legte ihr eine Hand auf den Rücken, eine zwanglose, beruhigende Berührung wie von ihrer Mutter, und führte sie einen der dunklen Korridore hinunter. Die Türnummern leuchteten auf, als sie sich näherten. Einmal sah sie sich um und erkannte, dass die Nummern hinter ihnen wieder im Dunkeln lagen.
In ihrem Bauch rumorte es. Dieser Ort war anders als alle anderen, die sie je aufgesucht hatte.
Zagrando blieb vor einer Tür ganz am Ende des Korridors stehen. Die Türnummer lautete 433.
»Berühr sie«, sagte er.
Sie legte eine Hand auf die erleuchtete Nummer. Klickend öffnete sich die Tür. Das natürliche Licht blendete sie. Vor ihr lag eine ganze Fensterwand. Sie ging hinüber, ehe sie das Zimmer eines Blickes würdigte.
Sie konnte das ganze Valhalla Basin überblicken, bis hin zu dem abgerundeten Ende der Kuppel, das kilometerweit entfernt war. Gebäude verteilten sich über das Panorama, einige davon niedrig genug, dass sie jede Einzelheit der Dächer erkennen konnte, andere noch größer als das Gebäude, in dem sie sich gerade befand. Unter ihr flogen Luftwagen vorüber, die aussahen wie Spielzeuge. Ein paar von ihnen flogen dicht am Fenster vorbei. Sie alle trugen Polizeilogos an der Seite.
»Es ist klein«, sagte Zagrando, »aber es ist bequem. Das Essen wird dir geliefert. In der Nähe des Fahrstuhls gibt es eine Cafeteria, falls du dich einsam fühlst. Da triffst du den ganzen Tag jemanden an.«
Sie drehte sich um. Das Licht flutete einfach alles – die braune Couch, den passenden braunen Sessel und die zerschrammten Tische. Durch einen schmalen Türbogen sah sie einen Küchentisch und vier Stühle.
»Gibt es ein Badezimmer?«, erkundigte sie sich.
»Hinter der Küche.«
Sie nickte. Ihr Bauch tat weh. Sie wollte nach Hause.
Sie wollte zu ihrer Mom.
»Möchtest du, dass jemand bei dir bleibt?«
»Können Sie?«, fragte sie.
Er schüttelte den Kopf. »Selbst wenn ich wollte, ich kann nicht. Wir sind verpflichtet, dir geschlechtlich passende Gesellschaft zu vermitteln.«
Also eine Frau. Eine Fremde. Wie der Beistand.
Talia verschränkte die Arme vor dem Körper und sah zu dem herrlichen Fenster hinaus. »Ich komme zurecht.«
Sie hatte ihre Stimme wieder unter Kontrolle. Aber ihr Gesicht fühlte sich komisch an, so komisch wie ihr Bauch.
»Ich werde alle paar Stunden jemanden schicken, der nach dir sieht«, sagte er.
»Und wenn ich schlafen gehe?«
»Informier einfach das interne System. Dann wird dich die nächsten zehn Stunden niemand stören.«
Sie schluckte. Sie wollte nicht, dass jemand nach ihr sah. Sie wollte auch nicht zehn Stunden ungestört sein. Sie wollte kein blödes Knastessen, und sie wollte auch keine dämliche Cafeteria.
»Wo ist der Zugang zum Netz?«, fragte sie.
»Am Bett dürfte ein portabler Zugang sein«, antwortete er. »Davon abgesehen findest du in jedem Zimmer einen in der Nähe der Tür.«
Er spiegelte sich im Fenster. Sie konnte sehen, wie er mit der Hand in Richtung des Durchgangs deutete. Da sie ihn nicht direkt anschaute, sah er offenbar keinen Grund, auf seine Miene zu achten.
Er sah besorgt aus.
»Ich sehe noch mal nach dir, ehe ich Feierabend mache«, erklärte er.
»Okay. Danke.«
Scheinbar eine Ewigkeit blieb er schweigend stehen. Dann sagte er: »Talia?«
Sie drehte sich immer noch nicht um.
»Es kommt alles wieder in
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