Miles Flint 06 - Kallisto
entschuldigenden Lächeln.
Hatte er den Auftrag, sie umzubringen? War der andere auf dein Weg hierher? Sollten beide herkommen, wären sie in ihrem neu geschaffenen Hoheitsgebiet, und sie wäre imstande, gegen sie anzutreten.
Er nickte einmal, als hätte er eine Nachricht empfangen. Dann umklammerte er seinen Arm – vermutlich an der Stelle, an der seine Hauptlinks saßen – und betrat das medizinische Labor. Raschelnd glitt hinter ihm die Tür zu.
»Ich soll Sie auf die Brücke bringen, wenn Sie sich gesund genug fühlen«, sagte er.
»Okay«, erwiderte sie, den Rücken dem Regal mit all ihren Waffen zugewandt.
Er näherte sich dem Diagnosetisch. »Wissen Sie wirklich, wie das Zeug hier funktioniert?«
»Ja«, antwortete sie mit pochendem Herzen.
»Darum wollten Sie zuerst in die Dekoneinheit, richtig?«
»Ja«, stimmte sie ihm zu.
Er strich mit dem Finger am Rand des Tisches entlang. »Sollte ich auch da rein? Ich meine, ich war ziemlich oft im Frachtraum.«
Sie seufzte leise, was er offenbar gehört hatte. Er sah sie an, als hätte sie gestöhnt. Und vielleicht hatte sie das auch. Spielte sie ihre Karten nun richtig aus, konnte sie ihn hier und jetzt außer Gefecht setzen.
Vielleicht hatte sie doch noch eine Chance zu entkommen.
»Einige der Kontaminationsstoffe sind nur schädlich, wenn man ihnen über längere Zeit ausgesetzt ist«, erklärte sie.
»Woher soll ich wissen, ob ich das war oder nicht?«, fragte er.
Das Herzklopfen wurde schlimmer. Sie fragte sich, ob er es hören konnte. Immerhin hatte er den leisen Seufzer gehört. Vielleicht war sein Gehör modifiziert.
»Wie wäre es, wenn Sie sich auf den Tisch legen. Das ist die einfachste und schnellste Möglichkeit, es herauszufinden.«
Er legte die flache Hand auf den Tisch, worauf dieser aktiviert wurde. »Geht das nicht mit meiner Hand?«
»Nein«, log sie.
»Das Ding … es tut doch nicht weh, oder?«
»Es ist so aufgebaut, dass es nicht schmerzt«, versprach sie. »Es schaltet sich sogar ab, wenn irgend etwas schiefgeht.«
Er stierte sie an. Aber in diesem Punkt hatte sie ihn nicht belogen.
»Vergewissern Sie sich nur selbst. Fragen Sie den Computer.«
»Stimmt das, Computer?«, fragte er.
»Sie können sich mit meiner Hilfe vergewissern, ja«, sagte der Computer.
Der Idiot verdrehte die Augen, lächelte aber, als sich Rhonda gemeinsam mit ihm über den Computer lustig machte. »Ich meine, kann dieser Diagnosetisch mir wehtun?«
»Er dient der Diagnose, nicht der Verletzung«, klärte ihn der Computer auf. »Sollte erkennbar werden, dass irgendein Teil des Tisches Ihnen Schaden zufügt, wird das ganze System abgeschaltet, und Sie erhalten Anweisungen zur Selbstwiederherstellung.«
Gesegnet seien die Computer und ihre peinlich genauen Antworten. Rhonda musterte sein Gesicht. Er hatte sich überzeugen lassen.
Er glitt auf den Tisch, blieb für einen Moment sitzen und sah sie an, als wäre er sehr nervös. Dann lehnte er sich langsam zurück. Sein Körper ging in die Breite, und sie erkannte, dass er nicht so muskulös war, wie er ausgesehen hatte. Der größte Teil seiner Körpermasse bestand aus Fett.
Er sah sonderbar verletzlich aus, wie er da lag mit seinem aufgewölbten Bauch und die Handgriffe umklammerte, während sein kahler Kopf die Lichter reflektierte, die ihn umkreisten.
Sie wollte in ihm kein verletzliches Wesen sehen. Sie wollte keinerlei Mitgefühl für ihn empfinden.
Ihr Mund war trocken, ihre Hände glitschig vor Schweiß.
Sie musste sich bewusst erinnern: Dies war der Mann, der sie entführt hatte. Er war der Mann, der anzüglich gegrinst hatte, als er den Namen ihrer Tochter erwähnt hatte. So viel Furcht er nun empfinden mochte, er hatte sich an Rhondas Furcht ergötzt und vermutlich auch an Talias.
Der Zorn, den Rhonda schon verloren geglaubt hatte, erhob sich von Neuem.
»Sagt es mir, was es macht?«, fragte er.
»Es werden Werte ausgelesen«, erklärte sie. »Geben Sie ihm eine Minute Zeit.«
Die Lichter hörten auf, ihn zu umkreisen. Der Diagnosetisch hatte sich vermutlich abgekühlt wie zuvor schon bei ihr selbst.
»Es ist fertig, oder?«
»Ich sehe gerade nach«, antwortete sie.
Sie griff zu der Spritze, die sie kurz zuvor in Händen gehalten hatte.
»Oje«, sagte sie so besorgt sie nur konnte. Er starrte sie aus geweiteten Augen an. Für einen Moment konnte sie sehen, wie er als Kind ausgesehen haben musste – riesige, ängstliche Augen –, und sie zwang sich, das Bild zu
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