Miles Flint 06 - Kallisto
Gyonnese das Schiff hergerichtet und mit Hilfe einiger ihrer eigenen Bauteile verbessert hatten.
Sie musste sich zwingen, etwas von der sauerstoffreichen Luft zu atmen.
Sie hatte gewusst, dass die Gyonnese mit dieser Geschichte zu tun hatten. Sie hatte gewusst, dass der Beschaffer für sie arbeitete.
Ihr war nur nicht klar gewesen, wie eng diese geschäftliche Verbindung war.
Aber das sollte kaum von Bedeutung sein.
Abgesehen davon, dass sie seit jener entsetzlichen Katastrophe mit dem synthetischen Wasser der Buhmann war. Seit sie feierlich mit ihrem Namen für dieses erfolgreiche Produkt gezeichnet hatte, überzeugt, es wäre ein Sprungbrett zu einer besseren Position innerhalb des Unternehmens oder bei einem anderen Arbeitgeber, nur damit diese eine Unterschrift sie – und ihre Familie – für den Rest ihres Lebens verfolgen konnte.
Die Gyonnese hatten ihr die Schuld gegeben. So wenig sie das Konzept mehrfacher Elternschaft verstanden, verstanden sie das Konzept der Teamarbeit oder, wenn es darum ging, der körperschaftlichen Verantwortung. Sie betrachteten allein das Individuum, und da sie die Rezeptur für dieses Produkt mit ihrem Namen unterzeichnet hatte, wurde sie zur verantwortlichen Person – zumindest gemäß den Gesetzen, Überzeugungen und Gebräuchen der Gyonnese.
Gleich, welche Argumente sie gegen den Vorwurf der Alleinverantwortlichkeit vorgebracht hatte – und gleich, wie sehr sich ihre Anwälte bemüht hatten, den Unterschied zwischen der menschlichen Kultur und der der Gyonnese herauszustellen –, die Gyonnese hatten sie weiterhin beschuldigt.
Und ins Visier genommen.
Sie zwang sich, den Blick von dem Bild abzuwenden. Ja, die Gyonnese hatten mit dieser Sache zu tun.
Sie hatten sie endlich da, wo sie sie haben wollten – allein und vollends ihrer Gnade ausgeliefert.
Abgesehen von den provisorischen Waffen, die sie bei sich hatte.
Abgesehen von ihrer Entschlossenheit.
Sie würde auf diese Brücke gehen, und sie würde den Beschaffer umbringen.
Und dann würde sie sich einen Weg nach Hause suchen.
33
F lint verließ van Alens Büro so überstürzt, dass er vergaß, seine Spuren am Computer auszulöschen. Er hatte den Wartebereich schon halb hinter sich, als ihm sein Versäumnis bewusst wurde und er kehrtmachte. Er hatte sich nicht einmal abgemeldet.
Er war erschüttert. Mehr als erschüttert. Er war beinahe von Sinnen.
Es bestand eine Chance – eine reale Chance –, dass jemand an Emmelines Daten herumgepfuscht hatte, aber welchen Grund sollte es dazu gegeben haben? Sie war ein Kind. Sie hatte kein eigenes Leben geführt.
Also musste Rhonda irgend etwas getan haben.
Mitten in van Alens Büro blieb er wie angewurzelt stehen. Er stand vor der Frage, ob er Rhondas Lebensweg verfolgen oder Emmelines Tod untersuchen sollte.
Und wenn er sich für eines von beidem entschied, wen konnte er damit in Gefahr bringen?
»Sie sehen beunruhigt aus«, sagte van Alen.
Flint wirbelte um die eigene Achse. Er hatte sie nicht kommen hören. Normalerweise hörte er alles. Aber sie stand bereits neben ihrem Schreibtisch, ihre Hände ruhten auf der glänzenden Tischplatte, und sie blickte ihm fragend entgegen.
Sie hatte das Büro betreten, hatte ihn vielleicht sogar gegrüßt, sie könnte sogar einen Blick auf den Monitor geworfen haben, und er hatte nichts gehört.
Ja, er war beunruhigt.
Er zwang sich, tief durchzuatmen, aber das trug ihm lediglich ein vages Schwindelgefühl ein. »Haben Sie schon einmal von Guerrovi Chawki oder Saari Namate gehört?«
»Ja«, sagte sie, und ihre fragende Miene wich einem Stirnrunzeln. »Das sind Anwälte bei Gazzaibbleuneicker.«
So hörte es sich immerhin an. Allerdings wusste er zweifelsfrei, dass die Schreibweise des Kanzleinamens ganz und gar nicht wie Gazzaibbleuneicker aussah.
»Von dieser Kanzlei habe ich noch nie gehört«, sagte er.
»Sie haben nur selten mit der Polizei zu tun.« Van Alen ging um ihren Schreibtisch und setzte sich auf den Sessel, als täten ihr die Füße weh. »Warum interessiert Sie das?«
»Sie scheinen an den gleichen Informationen interessiert zu sein wie ich.« Mehr würde er ihr nicht verraten.
»Hat das etwas mit Paloma zu tun?«
»Meine Suche hat mit ihren Dateien angefangen.«
»Sie sind sehr vorsichtig«, stellte van Alen fest.
Er nickte. »Mit manchen Dingen wollen Sie gar nichts zu tun haben.«
Sie seufzte, als wollte sie ihm widersprechen. Dann seufzte sie erneut, und er wusste, dass sie es sich
Weitere Kostenlose Bücher