Miles Flint 06 - Kallisto
dem sich das Armstrong PD herumschlagen musste, war der Umgang mit den diversen Kulturen, mit den unterschiedlichen Kreaturen und den verschiedenartigen Bedürfnissen der uneinheitlichen Bevölkerung von Armstrong. Hier schien es nur Menschen zu geben – seien sie Polizisten oder Kriminelle.
Sie fragte sich, ob das daran lag, dass die Gesetze nur für Menschen galten und das Polizeirevier für die außerirdische Bevölkerung irgendwo anders in der Stadt war – so hielt man es in vielen Marsstädten, seit die Disty die Macht übernommen hatten.
Wahrscheinlicher aber war, dass es hier nicht viele Außerirdische gab. Aleyd war ein menschengeführter, erdbasierter Konzern. Vielleicht hatten sie auf Kallisto nur eine eigene Stadt gegründet, um der Gesetzesvielfalt aus dem Weg zu gehen, die so viele Unternehmen auf dem Mond beklagten.
Vielleicht wollte Aleyd zumindest in einem Teil des Unternehmens eine uneingeschränkt ethnozentrische Belegschaft beibehalten.
Sie schauderte. Sie misstraute instinktiv allem und jedem, das oder der sich dem Speziezismus hingab. Sie fragte sich stets, was mit diesen Leuten sonst noch nicht stimmte, in welcher anderen Hinsicht ihnen nicht zu trauen war.
Aber im Augenblick stellte sie auf einer Basis, die überwiegend aus Unkenntnis bestand, eine Hypothese über eine ganze Stadt auf. Welche Haltung die Stadt Außerirdischen gegenüber einnahm, würde sie noch in Erfahrung bringen müssen, wenn sie erst in ihrem Hotelzimmer war. Oder, um genau zu sein, falls sie je in ihrem Hotelzimmer ankäme. Allmählich hegte sie Zweifel, dass sie es überhaupt noch bis dahin schaffen würde.
Im Bereich der Fahrstühle war kein wie auch immer gestalteter Wegweiser zu sehen, und die Fahrstühle selbst waren nicht gekennzeichnet.
Sie hatte keine Ahnung, wie sie nach oben kommen sollte – oder ob sie überhaupt nach oben musste.
»Sind Sie Celestine Gonzalez?«, fragte ein Mann.
Er stand mit vor der Brust verschränkten Armen in einem nahen Türrahmen. Er trug eine blaue Hose, die aussah, als wäre sie aus echtem Jeansstoff, und ein Batisthemd, das so neu war, dass sogar noch die typischen Falten im Bereich der Ärmel erkennbar waren.
Das Blau der Kleidung unterstrich noch die Blässe seiner Haut. Er war nicht so hellhäutig wie Miles Flint auf den Fotos, die Gonzalez auf dem Weg nach Kallisto studiert hatte, aber er war auch nicht so dunkelhäutig wie die meisten Menschen.
Das Gesicht des Mannes sah auf eine Art zerknittert aus, die, die passenden Umstände vorausgesetzt, beinahe schon tröstlich wirken konnte.
Dies waren nicht die passenden Umstände.
»Ja«, sagte sie. »Ich bin Celestine Gonzalez.«
»Dann kommen Sie mit.« Er verschwand hinter der Tür, als wäre er nie da gewesen. Ihr Magen krampfte sich zusammen, und sie fragte sich, ob hier eine technische Spielerei im Gang war, die sie nicht bemerkt hatte.
Dann trat sie über die Schwelle und fand sich in einem gewöhnlichen Befragungszimmer wieder, das sich nicht von denen im Polizeirevier von Armstrong unterschied – ein Tisch in der Mitte, gut sichtbare Kameras, deren Anblick den Tätern verraten sollte, dass sie aufgezeichnet wurden, und unbequeme Stühle.
Der einzige Unterschied war eben derjenige, der das ganze Valhalla Basin so deutlich von Armstrong abgrenzte – alles war neuer, teurer und von besserer Qualität als die Dinge, die sie gewohnt war.
Der Mann hatte sich, die Arme immer noch vor dem Körper verschränkt, zwischen zwei Monitoren in der gegenüberliegenden Ecke des Raums aufgebaut. Unter seinem Batisthemd zeichneten sich echte Muskeln ab, und er war gewiss nicht schwabbelig. Er sah stark aus, und in dem hellen Licht in diesem Raum wirkte er zudem bedrohlicher, als sie erwartet hatte.
Gonzalez blieb an der Schwelle stehen, damit die Tür sich nicht automatisch schließen konnte.
»Und Sie sind?«
»Detective Zagrando.« Er sprach den Namen so widerwillig aus, als hätte er ihn noch nie benutzt.
Wäre sie in Armstrong, so hätte sie über ihre Links eine Überprüfung seiner Identität angefordert. Aber sie war nicht in Armstrong. Ihre Links hatten sie bereits darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie innerhalb des Polizeigebäudes auf den Notfallbetrieb beschränkt waren. Ob sie wollte oder nicht, sie konnte keine Verbindung zu einem Netzwerk herstellen.
»Was macht eine Anwältin aus Armstrong auf Kallisto?« Die Frage klang feindselig. Der Mann – dieser Zagrando – hatte sich nicht aus seiner Ecke
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