Milliardengrab (German Edition)
er
jemanden der augenblicklich keine Probleme hatte, liebend gern half sich welche
aufzuhalsen, um dann bei der Bewältigung dieser zu assistieren. Ihm zugeneigte
Mitbürger halten dagegen, dass dies nicht grundsätzlich immer so sei, allerdings
wenn gewichtige Umstände es erforderten, dann sei Derartiges im Rahmen des
Vorstellbaren.
Über
Urban Eisenstein zu reden oder besser herzuziehen war ein Volkssport in Wien.
Selbst auf diese Art von Nachrede war er stolz.
»Wenn
sie nicht mehr über dich reden - dann bist du tot! Letzteres mit Sicherheit,
wenn sie Gutes über dich zu berichten wissen«, pflegte er mit Häme zu bemerken.
Sein vis a vis verdankte es seiner Jugend, dass er noch nicht zum Verlassen des
verluderten Refugiums aufgefordert wurde. Thomas Szabo, Mitte zwanzig, fesch,
mittellos, unbedarft und voller Tatendrang - nebenbei in der Hoffnung, den
Sprung vom nebenberuflichen Redakteur zu einem fest angestellten bald zu
schaffen - sprach mit Nachdruck auf die Blunzn ein. Eisenstein, dem in diesem
Augenblick vermutlich nach Zweisamkeit war, ließ ihn gewähren. Die Mine des Ressortchefs
blieb unbewegt, während Thomas weiter rapportierte.
»Die
Geschichte ist unheimlich facettenreich. Etwas in dieser Brisanz hatten wir
noch nie im Blatt. Da kommen wir einfach nicht daran vorbei! Was glauben Sie,
Chef, die rote Nora, ein Superweib, eine Mischung aus Dolly Buster und Zarah
Leander! Ein Wunder der Schöpfung, das muss ich wirklich zugeben. Ich sage
Ihnen Chef: supergeil!«
Die
Blunzn vernahm die biologische Kreuzung und war von diesem Moment an damit befasst,
das Ergebnis in seinem Kopf optisch zu vereinen. Eisenstein vernahm die Worte
seines Reporters daher nur marginal. Nebenbei huschten seine winzigen
Schweinsäuglein auf dem überladenen Schreibtisch hin und her. Endlich hatte er
entdeckt, was er suchte. So als ob er eine Fliege erschlagen wollte, drosch er
zu. Allerdings grapschte er sich nur eine Büroklammer. Während Szabo noch mit
Enthusiasmus seine Story in den schrillsten Farben umschrieb, bog Eisenstein
phlegmatisch die Büroklammer zurecht, um damit in seinen weitläufigen Gehörgängen
Ohrenschmalz abzubauen. Schweigend betrachtete er das Ergebnis seiner
Knappenarbeit und ließ mit keiner Miene erkennen, was er von den Plänen seines
Volontärs hielt.
»Die
Stasi, die Piefkes im Allgemeinen und die
Kummerln
hier bei uns, der Prozess in Berlin und dann noch die Entführung. Der mediale
Hammer der letzten Jahre! Wir werden die Story exklusiv bringen und gegen bare
Münze verkaufen! Millionen können wir da einsacken! Bilder vom Hotel in Nizza,
Interview mit den Beteiligten an der Côte d’Azur. Ein Knüller! Durch den Titel
allein verkaufen wir zehntausend Exemplare mehr! Besser wie die Hitler Tagebücher
…«
An
dieser Stelle des Vortrages äußerte sich Eisenstein endlich. Thomas war
erleichtert. Dieses verdammte Schweigen hatte sein Gemüt schon bedrückt.
»…
und das Wunder der Schöpfung, das bitte ich nicht zu vergessen«, ergänzte
Eisenstein scheinbar begeistert. »Wo, verehrter Herr Kollege«, in diesem
Augenblick war, Thomas klar, dass sein Vortrag in die Hose gegangen war,
»lassen Sie ihre Dokumente anfertigen? Direkt beim Verfasser der
Hitler-Tagebücher? Oder haben Sie andere plastografische Kapazitäten unter
Vertrag? Legen Sie im Notfall selbst Hand an? Ich bewundere Ihre ausgefallenen
Ideen, für ein Märchenbuch unerlässlich! Aber wir sind hier im Pressehaus und
nicht im Palais Münchhausen. Manchmal frage ich mich, ob ein menschliches
Gehirn von Zeit zu Zeit ohne Grund ins Koma fallen kann. Die Hitler-Tagebücher!
Zehn Jahre ist das her und der STERN hat sich heute noch nicht von dem Fiasko
erholt. Wenn ich es nicht selbst gehört hätte, niemals würde ich es glauben,
dass jemand wagt, mir Derartiges unterzujubeln! Ich schreibe den Mangel an journalistischer
Ethik gnadenhalber Ihrer Adoleszenz zu, mein Lieber. Denn wenn ich das nicht
täte, dann müsste ich Sie jetzt stante pede freisetzen, wie sich das neuerdings
nennt.«
Jetzt
konnte selbst der trockene Eisenstein ein Lachen nicht mehr zurückhalten.
»Der
Wochenspiegel ist eine politische Publikation und keine Faschingszeitung! Ich
darf doch davon ausgehen, dass dieser Umstand bereits zu Ihnen durchgedrungen
ist? Die geistige Elite des Landes hört auf uns, respektive sollte das
zumindest tun! Sie wissen, ich habe eine Schwäche für Sie, trotzdem,
überstrapazieren Sie meine Geduld nicht.« Das Telefon
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