Milliardengrab (German Edition)
meinem Dunstkreis, ich habe zu arbeiten! Irgendwer
muss die Knete, die ihr zum Fenster rausschmeißt, letztlich verdienen! Apropos
Arbeiten, darüber könnten Sie in einer besinnlichen Minute auch einmal
philosophieren.« Er zog einen Zipfel seines positiv taillierten Flanellhemdes
aus dem Hosenbund und begann seine Brillengläser damit zu reinigen. Thomas gab jedoch
nicht auf.
»Ich
nehme es zur Kenntnis. Allerdings bin ich von der Story überzeugt! Deswegen
werde ich auf eigene Rechnung nach Nizza fahren! Um Urlaub muss ich als
Freiberufler ja nicht nachsuchen, oder?«
»Sie
sind verrückt! Zugegeben eine äußerst gute Voraussetzung für unser Genre … Nur,
was ist, wenn diese ganze Geschichte eine Fata Morgana ist und die Kaindel
morgen hier aus einem Flugzeug steigt?« Thomas winkte mit einer lässigen
Handbewegung ab.
»Berufsrisiko.
Wenn ich meinem Instinkt grundsätzlich nicht nachgebe, dann werde ich niemals
eine weltbewegende Story, die auf das Cover kommt, schreiben können. Chef,
denken Sie an Watergate. Das ist meine Chance. Ich verzichte auf die Kolumne,
trotzdem danke für das nette Angebot. Ich fahre! Sofort.«
»Na
dann, gute Reise … Mazel Tov! Langsam glaube ich auch an Ihre hirnverbrannten Geschichten.
Die Hitler Tagebücher und Nixons Watergate, keine üble Mischung.« Eisenstein
schüttelte sich vor Lachen.
»Ich
fahre auf eigenes Risiko, aber Vorschuss brauche ich. Zwanzigtausend reichen.«
Ein heftiges Einatmen, gefolgt von einem ebenso heftigen Ausatmen vereint mit
kräftigem Schnaufen war zu hören, dann hatte Eisenstein sich scheinbar
überwunden. Wenn es etwas gab, wovon er sich schwer trennte, dann war es Geld -
selbst wenn es nicht seines war.
»So,
so, zwanzigtausend reichen. Ich muss besoffen sein, mich auf so etwas
einzulassen. Warten Sie.« Eisenstein griff zum Telefon und wählte aus dem
Gedächtnis eine Nummer.
»Kompliment,
mein lieber Herr Doktor, wie ist das werte Befinden?«, er hörte kurz zu und
fragte schließlich: »Es geht das Gerücht um, dass Ihre Klientin, diese Nora
Kaindel verschwunden sei. Wissen Sie, lieber Doktor, etwas darüber?«
»Kompliment
Herr Doktor, meine besten Empfehlungen an die Frau Gemahlin, habe die Ehre und
meinen verbindlichen Dank!« Jetzt wandte er sich an Thomas.
»Ach
Gott, wie gut dass ich mich vergewissert habe! Der Waldegg hat diese Nora
Kaindel in der Abflughalle am Schwechater Flughafen getroffen. Zufällig.
Verschonen Sie mich mit Ihrer Anwesenheit. Raus!« Eisenstein war geladen, der
Zeiger auf der zehnteiligen Richterskala bewegte sich schon bei der Neun - es
war angebracht, sich aus seiner Sphäre rasch und rückstandsfrei zu entfernen.
Pech für Thomas. Nach der tragischen Wendung dieses Gesprächs war Eisenstein
für ihn längere Zeit nicht mehr zu sprechen. Die Côte d’Azur, Nizza und das
Negresco mussten warten.
Wolfsthal,
Anfang August 1991
Hans
saß im Dorfwirtshaus und starrte verloren in sein Weinglas. Er seufzte schwer. Es
war ihm schwer ums Herz. Jetzt, am Vormittag, war das Wirtshaus leer. Es
entsprach nicht seinen Gewohnheiten um diese Zeit Alkohol zu trinken - doch es
war ihm nicht ganz Wohl bei seinem Vorhaben. Suchend ließ er seinen Blick
umherschweifen. Das niedrige Gewölbe, vermutlich hatte es seit zwanzig Jahren
keinen neuen Anstrich mehr bekommen, die billigen verschmierten Resopalplatten
auf den Tischen und die Sessel aus dem Baumarkt. Die beleibte Wirtin mit ihrer
dreckigen Schürze und den fettigen Haaren, er sah es - doch heute war ihm das
gleichgültig. Endlich ging die Tür auf und ein Gendarm mit einer Figur, die
jener der Wirtin nicht unähnlich war, betrat die Gaststube.
»Grüß
euch Gott! Roserl, geh, sei so lieb, mach mir ein Krügerl«, wandte er sich an
die Wirtin und nahm neben Hans Platz. Er warf seine abgegriffene Dienstkappe
achtlos auf den Tisch. Hans formte auf seiner Stirn einen Rollbraten, schwieg
aber, denn er hatte ohnehin nicht vor hier jemals zu essen. So einfach Hans als
Mensch war, so sehr legte er auf Sauberkeit und Ordnung wert. Die griesgrämige
Wirtin brachte das Bier und verzog sich wieder in die Küche. Hätte die Frau
gewusst, was die beiden Männer zu besprechen hatten, keine Sekunde wäre sie von
ihrem Platz gewichen.
»Grüß
dich Hans.«
»Servus
Pachmaier.«
»Also
was gibt es, hat wieder jemand Laternen von den Gräbern gestohlen?« Hans
schüttelte den Kopf.
»Nein.
Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube der Nora ist etwas zugestoßen.
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