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Milliardengrab (German Edition)

Milliardengrab (German Edition)

Titel: Milliardengrab (German Edition)
Autoren: Friedrich Strassegger
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läutete, Thomas dankte
dem Anrufer, weil er nun hoffte, dem Rest des Vortrages zu entgehen. Weit gefehlt.
Eisenstein hob den Hörer nur kurz an und ließ ihn wieder auf die Gabel fallen.
    »Woher
kommt diese waghalsige Geschichte mit der Entführung der Kaindel? Nach Ihrem
aufgeregten Anruf kam mir die Idee, mich zu erkundigen. Bis zum Innenminister
hinauf habe ich alle rebellisch gemacht. Keine Menschenseele weiß etwas von
einer Entführung, ja, nicht einmal abgängig ist sie, die liebe Nora. Nach einem
diesbezüglichen Gerücht fahndet man in ganz Wien vergebens - und in dieser
Stadt ein Gerücht nicht zu finden, das will etwas heißen! Woher, mein Lieber,
haben Sie Ihre phänomenalen Weisheiten? Waren Sie vielleicht kürzlich in
Delphi?«
    »Vom
Ferry, wir waren zusammen auf der Uni. Er ist jetzt Konzipient beim Waldegg,
der vertritt die KPÖ.« Eisenstein, mittlerweile genervt, unterbrach: »Ich weiß,
lieber Herr Kollege Szabo, wer Eberhardt von Waldegg ist und wen er vertritt.
Ihr Ferry bearbeitet er die Akte?« Thomas wand sich und rang sich schließlich
zu einer halbherzigen Antwort durch.
    »Nicht
direkt, aber er hat Einblick in diese Causa.«
    »Er
hat Einblick, gut, aber wo bleibt der Durchblick? Haben Sie einen blassen
Schimmer, was seriöser Journalismus ist? Ich habe jetzt wenigstens die
Hoffnung, dass Sie begriffen haben, warum ich hinter dem Schreibtisch sitze und
Sie davor stehen. Natürlich ist in unserem Metier Fantasie unabdingbar, sogar erwünscht!
Aber dann muss diese Vorahnung, ohne die es keinen investigativen
Journalismus gibt, durch harte Fakten unterlegt sein. Erst dann gießen wir die
Geschichte in Blei! Bei uns gibt es keine Enten, leider nicht einmal
gebratene.« Beim Gedanken an eine gebratene Ente erschien Begeisterung auf Eisensteins
Visage. Allem konnte er widerstehen - nur nicht der Versuchung.
    »Ferry
hat ein Memo seines Chefs gelesen. Zufällig, es war natürlich nicht für seine
Augen bestimmt. Es herrscht helle Aufregung.«
    »Bei
mir auch … eine Entführung … sind Sie noch bei Verstand? Wissen Sie was das
bedeutet, wenn die Kaindel in ein paar Tagen frisch und munter auftaucht und
erklärt, sie habe sich eine Erholung von den aufreibenden Gerichtsterminen
gegönnt? Und das, nachdem wir langatmig über ihre Entführung berichtet haben?
Mein lieber Freund, da können wir gar nicht weit genug weg sein, um nicht noch
etwas abzukriegen! Nein, das können Sie sich nicht vorstellen, denn sonst
würden Sie nicht auf so paradoxe Ideen kommen! Vermutlich würde es die Wogen
nicht einmal glätten, wenn ich mich entleiben würde! Übrigens, ein Gedanke, der
mir gar nicht zusagt.« Eisenstein wandte sich erschüttert ab - der Gedanke an
seinen eigenen Tod setzte ihm schwer zu. Thomas schwieg trotzig. Eisenstein
versank in eine Art Dämmerschlaf. Die verglimmte Zigarette löste sich
gemächlich aus dem Mundwinkel und fiel zuerst auf den ausgeprägten Resonanzkörper
und suchte sich von dort mühsam den Weg auf das abgetretene graugrüne Linoleum.
Er warf die zweckentfremdete Büroklammer gedankenlos hinterher. Mit Vehemenz
widersetzte er sich jedem Versuch, sein Büro auf Vordermann zu bringen.
Angeblich losten die Putzfrauen täglich, wer sich in Eisensteins Stillleben
begeben musste, um es zu säubern. Mit einem Schlag war er hellwach und fand die
Sprache wieder.
    »Da
wird die Marketing Abteilung erfreut sein, wenn die Auflage dank ihres
Elaborates ins Unermessliche steigt. Thomas, Sie sind jung, deswegen schmeiße
ich Sie jetzt nicht hochkantig raus. Entführung! Was könnte denn da wohl
passiert sein? Die kopuliert vielleicht irgendwo mit Mandl oder Weibel - sie
soll ja da nicht besonders wählerisch sein, die gute Nora - in der Weltgeschichte
herum und Sie quasseln da etwas von einer Entführung daher. Fakten Mann, Fakten
und sonst nichts. Reißen Sie sich los von den Träumen der Côte d’Azur! Falls
Sie allerdings an einen Kurzurlaub in Monaco auf Regimentskosten dachten - ich
habe das überhört. Wobei ich Ihnen zubillige, dass die Idee nicht abwegig ist
und meinetwegen die Frage dadurch legitim war.« Lautstark entwich Luft aus
Eisensteins Innerem. »Damit Sie sehen, dass ich kein Unmensch bin, wie diese
niederträchtige, grenzdebile Meute behauptet, die mich hier täglich umzingelt
und nebenbei hechelnd auf eine Wortspende wartet, gebe ich, was rede ich da,
schenke ich Ihnen für die Nora eine einspaltige Kolumne. Eine drittel Seite!
und jetzt bitte entferne er sich aus
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