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Milliardengrab (German Edition)

Milliardengrab (German Edition)

Titel: Milliardengrab (German Edition)
Autoren: Friedrich Strassegger
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ausgerottet.
Diese Auswüchse hatte es so häufig noch nie gegeben.
    Patry
wandte sich wieder der Gegenwart und damit seiner Zeugin zu, der er nicht so
recht glauben mochte. Diese Geschichte, so eigenartig sie war, eine Entführung
schien ihm abwegig. Einerseits hegte Patry erhebliche Zweifel an den
Schlussfolgerungen von Madame Couvre, andererseits konnte er seine Gedanken
nicht offen aussprechen. Er zog mit Hingabe an seiner längst erloschenen
Pfeife. »Hysterisch ist sie nicht, aber überängstlich«, konstatierte er im
Stillen. Er hielt es durchaus für möglich, dass die Dame mehr als nur eine
berufliche Beziehung zum Notar hatte und dieser sich nun eine Auszeit genommen
hatte - eine Auszeit von Madame nämlich. Madame beharrte auf ihrem Standpunkt.
Patry stellte ein paar kritische Fragen.
    »Madame
Couvre, woraus schließen Sie mit Bestimmtheit, dass hier ein Verbrechen
vorliegt? Der Herr Notar hat eine Notiz hinterlassen, dass er eine Woche an der
Côte d’Azur verbringt. Was soll daran ungewöhnlich sein?«
    »Alles!
Niemals würde Monsieur so etwas tun, ohne sich abzusprechen.«
    »Aber
Sie selbst sagten doch, dass seine Frau am Freitag ihren Geburtstag feierte.«
    »Das
besagt nichts«, blieb Madame konsequent. Der Kommissar atmete durch.
    »Madame,
nachdem Sie mir am Telefon erzählt haben, dass die EC-Karte des Notars benutzt
wurde, war ich auf der Bank. Monsieur hat am Freitagabend seine Bankkarte hier
in Genf verwendet und heute, ich sage heute, in
    Menton.
Da hält er sich ja nach seiner selbst verfassten Mitteilung auf.«
    »Das
beweist gar nichts. Jedermann kann die Karte in einem Automaten stecken, an
jedem Ort der Welt.«
    »Wenn
er den Code weiß!«, gab der Kommissar zu bedenken.
    »Wenn
der Maître am Freitagabend hier im Büro war, und davon gehen wir aus, hätte er
sich aus der Handkasse mit Bargeld versorgt. Über sechstausend Deutsche Mark,
Tausende von Franc und zehntausend Franken liegen dort. Stattdessen holt er
sich Geld am Automaten? Hier in Genf um Mitternacht? Ich habe lange überlegt.
Nein, ich kann mich nicht entsinnen, dass der Maître die Karte jemals benutzt
hat. Ich meine hier in der Stadt. Mir wäre das aufgefallen, schließlich öffne
ich die Post, auch die Private. In Basel oder im Ausland, ja. Ich bitte Sie,
Monsieur le Kommissare!«
    »Er
hat nichts abgehoben, sondern den Kontostand abgefragt«, entgegnete der
Kommissar. »Seit über fünfundzwanzig Jahren bin ich hier. Das hat es noch nie
gegeben. Jetzt bin ich mir ganz sicher, dass hier etwas ganz Furchtbares
geschehen ist. Niemals würde sich Monsieur Bouvery um Mitternacht für den
Kontostand seines Privatkontos interessieren. Wozu? Das ist absurd.« Das
Abfragen des Kontostandes war für Madame überhaupt undenkbar, fast eine Abartigkeit.
Kontostände interessierten in diesen Kreisen nicht. Geld war vorhanden,
grundsätzlich, ausreichend und ständig. Wen interessierten da Kontostände zu
nachtschlafender Zeit? Das Telefon summte und Madame hob ab, sprach kurz mit
dem Anrufer und führte dann weiter aus:
     »Nein,
meinem Chef ist etwas zugestoßen. Ich hoffe innig, dass es ist nichts
Schreckliches ist. Obwohl ich einräume, dass ich genau das befürchte. Herr
Kommissar, ich würde Sie sonst kaum belästigen. Ich stehe selbst mitten im Leben,
glauben Sie mir, zu meinem Leidwesen, diese Ängste sind berechtigt!«
    »Haben
Sie vielleicht ein Foto vom Maître?«
    »Natürlich
… Warten Sie.« Sie suchte kurz in der Lade ihres Schreibtisches und förderte
ein ziemlich großes Bild zutage. Es war von einer Weihnachtsfeier der Kanzlei,
auf dem alle in einer Gruppe vor einem geschmückten Baum standen. Das Ehepaar
Bouvery stand vorn in der Mitte. Der Kommissar nahm das Bild und steckte es in
seine Brieftasche. Dann stand er auf, legte einen formvollendeten Diener auf
das Parkett und verließ das Notariat. Madame hatte ihn nicht restlos überzeugt,
doch er dachte über ihre Worte nach. Ausschließen konnte er ein Verbrechen oder
einen Unglücksfall nicht. Zu Fuß spazierte er ins Präsidium, es waren
schließlich nur ein paar Hundert Meter. Als er an der Bank, an der sich Notar
Bouvery Freitagnacht über seinen Kontostand kundig gemacht hatte vorüberging,
betrat er die Bank noch einmal und ließ sich das Videoband vorführen, das den
Bankautomaten im Foyer des Kreditinstitutes vierundzwanzig Stunden am Tag
aufzeichnete. Das Video-Band läuft eine Woche, bevor es von neuen Aufnahmen überspielt
wird. Eine Viertelstunde
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