Milliardengrab (German Edition)
einmal anvertraut. Als die Ostdeutschen
zum ersten Mal zu uns kamen, ging es um die Errichtung einer
Kapitalgesellschaft, den Ankauf eines Grundstückes und Ähnliches. Ein durchaus
üblicher Vorgang. Erst später wurde offenbar, wer hinter dieser Klientel
stand.« Madame holte tief Luft, der Kommissar unterbrach sie nicht, er wartete
geduldig.
»Es
war die DDR, richtiger die SED in Ost-Berlin. Monsieur Bouvery vermutete
anfangs Geldwäsche, Schwarzgeld und Ähnliches. Allerdings fehlten uns hieb- und
stichfeste Beweise, Belege oder dergleichen. Dann erkannte der Maître, dass es
Gelder der Regierung oder der Partei oder auch von beiden waren, die hier
geparkt und versteckt wurden. All diese Dinge waren nach Schweizer Recht legal,
was also hätten wir unternehmen sollen? Auskunft verlangen? Von einer Regierung
des Ostblocks? Die Behörden wegen illegaler Geldwäsche einzuschalten – nicht einmal
das wäre möglich gewesen, in der Schweiz gibt es dieses Delikt nicht.« Die Frau
unterbrach ihren Vortrag, kramte in ihrem Handtäschchen und zog schließlich ein
Taschentuch hervor. Nachdem sie sich die Nase geputzt hatte, fuhr sie fort.
»Auf
jeden Fall war das etwas, dass uns keinesfalls tangieren durfte. Die
Notariatsordnung ist diesbezüglich eindeutig – außer, es wäre ein
Strafverfahren gegen diese Personen anhängig. Das war bei Mitgliedern einer
Regierung natürlich nicht der Fall - wenigstens 1984 nicht. Anlässlich eines
Besuches dieser Leute in der Kanzlei stellte der Notar ein paar Fragen im
Zusammenhang mit diesen Geschäften. Er bekam keine ausreichende Erklärung. Nach
etwa einer Woche kam ein Anruf. Damals habe ich gespürt, dass sie den Maître
mit irgendetwas unter Druck setzten. Er hat sich diesbezüglich mir gegenüber nie
mehr geäußert. Was er letztlich genau wusste und womit sie ihn möglicherweise
in der Hand hatten, weiß ich nicht. Ich spürte allerdings, dass er sehr bedrückt
war. Wir haben nie wieder darüber gesprochen. Nein, entschuldigen Sie, das ist
jetzt nicht korrekt. Später einmal hat der Maître deswegen eine Bemerkung
gemacht. Es liegt Jahre zurück. Er bedauerte, dass er diese Klientel überhaupt
jemals vertreten hatte. Ich weiß auch nicht genau, was sich in der Akte befand,
es können nur ein paar Schriftstücke gewesen sein, diese Akte war dünn.«
»Und
seit wann genau fehlt diese Akte?«
»Seit
dem Wochenende, an dem der Maître und seine Frau verschwunden sind.«
Sybille
Roche hatte mit ihren Vermutungen also richtig gelegen und die Chance, dass die
Bouvery’s noch lebten, war gleich null.
»Und
warum haben Sie mir das vorsätzlich verschwiegen? Dafür verlange ich eine
Erklärung. Madame Couvre, bei allem gebotenen Respekt, mir ist ihr Verhalten
unverständlich. Ist Ihnen nicht klar, dass Sie mit Ihrem Schweigen dem Maître
und seiner Frau möglicherweise geschadet haben? Mit Rücksicht auf Sie will ich
mich über mögliche Folgen gar nicht weiter verbreiten.« Madame verstand genau,
was da ungesagt blieb und kämpfte mit aufsteigenden Tränen, hielt mit ihrem
Marsch durch das Büro inne und griff noch einmal zum Taschentuch.
»Ich
dachte, ich meine … es wäre dem Maître sicher unangenehm gewesen, wenn ich
diese Interna preisgegeben hätte. Ich hoffe doch noch immer, dass sich alles in
Wohlgefallen auflöst. Zwei Menschen können doch nicht einfach so verschwinden,
das ist doch nicht möglich. Monsieur le Kommissare, Sie werden das doch
nachvollziehen können, ich bitte Sie!«
Der
Blick des Kommissars schweifte wie zufällig über die weite Wasserfläche des
Genfer Sees. Er spann seine Gedanken im Hinblick auf den riesigen See nicht
weiter. DDR, SED und die Staatssicherheit, wenn er an die Möglichkeiten dieser
Institutionen dachte, dann kroch ihm die Gänsehaut über den Rücken - auch wenn
diese Einrichtungen Geschichte waren; die Ableger funktionierten noch hervorragend.
Doch er teilte diese Überlegungen seiner Besucherin nicht mit. Er war auf seine
Zeugin nicht wirklich böse – nur verstimmt, wegen ihres möglicherweise
schicksalhaften Verhaltens. Sie war mit ihren Nerven ohnehin am Ende. Patry
setzte keinen Rappen mehr auf das Leben des Ehepaares. Jetzt sorgte er sich
noch zusätzlich um das Leben von Madame, doch wie konnte er ihr helfen?
Personenschutz? Für solch eine teure Maßnahme, deren Erfolg im Übrigen mehr als
fraglich war, fehlten stichhaltige Gründe. Sie darauf aufmerksam zu machen, in
welcher Lage sie sich befand? Kaum Erfolg
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