Milliardengrab (German Edition)
versprechend, das würde ihr
angegriffenes Nervenkostüm restlos zerstören. Ihm blieb trotzdem keine Wahl.
Nachdem er ihr seine Befürchtungen geschildert hatte und ihr die möglichen
Folgen drastisch vor Augen führte, versprach sie dem Kommissar, für einige Zeit
ins Tessin zu verreisen.
Lange
hielt die Angst bei Madame Couvre jedoch nicht vor. Ein paar Tage später sah
der Kommissar sie zufällig, wie sie am Morgen in das Notariat stöckelte. Er
sprach sie an: »Madame, was bedeutet das? Ich dachte, Sie wären in Lugano.«
»Ach
wissen Sie, Herr Kommissar, wenn diese Mörderbande mich ins Jenseits befördern
will, dann kriegen sie mich hier genauso wie in Lugano, also was soll es.
Übrigens, Sie sollten um diese Jahreszeit einmal Urlaub im Tessin machen - es
ist herrlich am Lago Maggiore!«
Nizza
/ Genf, Mitte September 1991
Die
Fahrt mit dem Golf des Vaters war ein Vergnügen und die Ansichtskarte für die
Mutter schnell vergessen. Thomas hatte natürlich ihre Reaktion vorausgesehen
und grinste, während er das Gaspedal kräftig durchtrat. Bei derart widrigen
Voraussetzungen konnte der bedauernswerte Vater sich gegen die kalte Enteignung
nicht zur Wehr setzen.
Vierzehn
Stunden später fuhr er am Hotel & Casino Negresco vorbei. Zwei
Pagen, verkleidet wie Komödianten in einem Stück von Nestroy, bewachten stoisch
den imposanten Eingang am östlichen Ende des Palais. Zwei Kilometer weiter
quartierte er sich im etwas weniger komfortablen IBIS ein, nahm eine Dusche und
legte sich hundemüde ins Bett.
Als
Thomas ein paar Stunden später erwachte, zog er die Vorhänge zurück. Grelles
Sonnenlicht blendete ihn und mit einem Schlag zeigte sich das winzige
Kämmerlein viel freundlicher. Erbärmlich klein war das Zimmer, gewährte
nichtsdestoweniger einen traumhaften Blick über die Strandpromenade und das
spiegelglatte Mittelmeer. Das Frühstück war reichlich. Er vertilgte so viel,
wie sein Verdauungstrakt lagern konnte. Vorsichtshalber schob er sich noch ein
mit Wurst belegtes Brötchen unter den missbilligenden Blicken eines
aufmerksamen Piccolos in die Hosentasche, ein Tag war schließlich lang. So mit
Wegzehrung ausgestattet, machte er sich auf den Weg zum Negresco .
Ein
Foto der roten Nora samt deren Daten lag auf den endlos langen Tresen der
Rezeption. Doch Thomas erntete lediglich Schulterzucken und desinteressierte
Blicke. Für seinen Presseausweis interessierte sich niemand. Da war der
Umstand, dass er kein Wort französisch sprach, nur eine unwesentliche
Dreingabe. In Nizza war die rote Nora keine Society-Größe wie in Wien und
Thomas Szabo nicht viel mehr als ein lästiges Insekt. Man schlug nicht gerade
nach ihm, das war aber auch schon alles, was ihm an Zuneigung widerfuhr.
Eisenstein, dieser Oberschlaumeier, hatte das Debakel geahnt. Wenn er am
nächsten Tag nach Wien zurückfuhr, würde sich der finanzielle Schaden in
Grenzen halten. Er unternahm noch einen letzten Versuch und wagte sich in die
Rue Gabriel Fauré. Doch in der Zentrale der Police Municipale wurde er
bloß von einem Büro ins andere geschickt. Dort sah man durch ihn hindurch - er
wurde konsequent ignoriert. Als er ums sechs das alte Palais verließ, war er um
nichts schlauer als zwei Tage zuvor in Wien. Thomas war niedergeschlagen, das
konnte man ihm ansehen. Enttäuscht spazierte er die Promenade entlang und
genoss wenigstens das mediterrane Flair. An einem Kiosk erstand er Crêpes und anschließend
trank er im Ibis ein Bier aus dem Automaten in der Lobby.
Dort
traf er schließlich auf ein Salzburger Ehepaar, mit dem er aus Langeweile ein
Gespräch begann. Die beiden waren seit drei Wochen hier, hatten aber vom
Verschwinden der roten Nora nichts gehört. Schulterzuckend wandten sich die
beiden schließlich ab und gingen zum Lift.
Am
nächsten Morgen war er am Frühstücksbuffet besser vorbereitet. Eine Plastiktüte
ersetzte den Tornister und dort verschwand der Proviantvorrat. Thomas
schlenderte ein bisschen wehmütig aus dem Seitenausgang zum Parkplatz des
Hotels. Da vernahm er ein lautes »Hallo« und drehte sich um. Die Salzburger.
Der Mann wedelte mit einer Zeitung und die Frau winkte. Thomas machte kehrt und
ging in die Lobby zurück.
»Guten
Morgen«, begrüßte er das Ehepaar.
»Guten
Morgen, wir haben gestern Abend in einer französischen Zeitung etwas gefunden,
das Sie interessieren könnte. Meine Frau versteht ein bisschen französisch und
sie meint, dass zur selben Zeit in Menton ein altes Ehepaar aus der
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