Milliardengrab (German Edition)
erzählen begann.
»Ich
möchte Sie bitten, dass Sie nicht schlecht vom Maître denken. Ich bin nicht
restlos überzeugt ob es richtig ist was ich jetzt mache, doch ich kann nicht
mehr schlafen. Es lässt mir keine Ruhe!«
»Seien
Sie unbesorgt. Wie heißen Sie?«
»Sybille
Roche.«
»Sybille,
ich darf Sie doch so nennen?«
»Natürlich,
Monsieur le Kommissaire.«
»Also,
wenn das, was Sie mir erzählen für unsere Ermittlungen nicht wichtig ist, dann
vergessen wir beide unseren Ausflug wieder. Wenn es jedoch von Belang ist, dann
vergesse ich, von wem die Info stammt. OK? Kein Protokoll, kein Aktenvermerk.«
Das Mädchen war sichtlich erleichtert und sofort sprudelten die Worte wie eine
Kaskade aus ihrem Mund. »Danke. Also es ist so, dass der Maître nie irgendetwas
gemacht hätte, das nicht dem Gesetz entsprach. Ganz im Gegenteil, ich behaupte,
dass er regelrecht pedantisch war. Jede Causa wurde nach Fug und Recht
abgewickelt. Nie nahm er von einem Klienten Geld ohne Rechnung, so etwas war
undenkbar. Verstehen Sie, wie ich das meine?« Sybille sah den Kommissar von der
Seite erwartungsvoll an.
»Ich
denke schon.« Patry war bewusst, dass Sybille von der Redlichkeit ihres Chefs
überzeugt war. Er war es keinesfalls. Das bedeutete jedoch nicht, dass er
grundsätzlich an der Rechtschaffenheit des Notars zweifelte. Falls der Notar
unsaubere Geschäfte machte, hätte Sybille es sicherlich nicht bemerkt.
Vielleicht würde es sich weisen, ob es tatsächlich so war, und wenn, ob es mit
seinem Verschwinden in Zusammenhang stand.
»Es
gab da eine Klientele, die Akte war bereits angelegt, als ich dort zu arbeiten
begann. Die Klienten waren Deutsche, Ost-Berliner. Um diese Leute wurde ein
regelrechtes Geheimnis im Büro gemacht. Die Vollmachten waren von mehreren
Personen unterfertigt und außerdem hing eine Apostille dran. Diese Akte war
einfach ungewöhnlich, ich spürte, dass hier etwas faul war.«
»Ja
und was ist mit dieser Akte? Und wozu benötigt man eigentlich eine Apostille?
Im Zusammenhang mit der Juristerei ist mir das kein Begriff.«
»Nun,
der Maître machte irgendwann einmal eine beiläufige Andeutung. Für mich
unverständlich und eigenartig. Seine Bemerkung war nicht für mich bestimmt. Ich
stand damals am Kopierer hinter der großen Flügeltür. Madame und der Maître
hatten mich nicht bemerkt. Er gab so etwas wie: ‚Hoffentlich brechen uns die
nicht einmal das Genick, aber ich kann sie nicht wegschicken. Ich hätte gleich
von Anfang an vorsichtiger sein sollen. Doch wie konnte ich ahnen, wer sich dahinter
verbirgt und vor allem, was sich daraus entwickelt.’, von sich. Madame Couvre
sprach beruhigend auf ihn ein, was sie genau gesagt hat, weiß ich nicht mehr,
aber so etwas in der Art: ‚Es wird schon nichts passieren.’
Ach
so, wegen der Apostille. Die ist im internationalen Rechtsverkehr erforderlich.
Sie ermöglicht eine grenzüberschreitende Beglaubigung. In unserem Fall hat das
Kantons-Gericht in Genf bestätigt, dass der Maître berechtigt, ist ein
Schriftstück zu beglaubigen und diese auch Rechtsgültigkeit hat. Man nennt die
Apostille auch Überbeglaubigung.«
»Da
habe ich wieder etwas gelernt. Nun etwas anderes, wenn Sie meine Frage nicht
beantworten wollen, ich würde es verstehen. Madame und der Maître, haben die
beiden sich näher gestanden, menschlich? Sie wissen schon, wie ich das meine.«
Sybille schüttelte energisch den Kopf.
»Nein,
ganz sicher nicht. Sie ist seine engste Vertraute im Büro. Ich vermute, Sie
verdient drei Mal so viel wie ich oder noch mehr. Und das, obwohl ich nebenbei
Rechtswissenschaften studiere. Aber nein, keinesfalls, so etwas würde man
spüren, ganz sicher nicht. Ich will es einmal so umschreiben: Weder Madame noch
der Maître sind für so etwas geschaffen. Außerdem, für den Maître gab es nur
seine Frau, er vergötterte sie!« Patry nickte. In diesem Fall hatte er keine Bedenken
Sybille zu glauben. Frauen waren in diesen Dingen sehr sensibel - er war
schließlich seit fünfzehn Jahren verheiratet und hatte seine Erfahrungen
gemacht.
»Aber
ich habe noch nicht alles erzählt. Irgendwann einmal musste ich die Handakten
ablegen, eine eintönige Arbeit. Da war die besagte Akte im Stapel. Ich konnte
nicht widerstehen und warf einen Blick hinein. In Handakten findet sich nichts
Vertrauliches, eigentlich nur die Koordinaten des Mandanten und eine Art
Kostenverzeichnis. Wir nennen es Stammblatt, nach dem die Honorarnote erstellt
wird. Auf diesem
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