Milliardengrab (German Edition)
wurde er sich seiner Sache.
Dann
ging es Schlag auf Schlag.
Der
nächste Anruf, den Patry empfing, kam von Madame aus dem Tessin. Sie sprach so
schnell, dass der Kommissar erst einmal kein Wort verstand.
»Bitte
Madame, noch einmal, ich kann nicht folgen.«
»Monsieur,
ich habe den Bericht im TV über diese Affäre mit der SED in Berlin verfolgt.
Diese Frau in den Nachrichten, ich habe sie gesehen! Eine ausgesprochen
attraktive Person, diese Kaindel. Ich kenne Sie! Kein Zweifel. Sie war hier, in
Genf, in unserer Kanzlei - sie ist auffällig wie ein Filmstar. Nie werde ich
das vergessen. Die hat sich bewegt wie eine Diva, dabei war sie sichtlich
bemüht, sich ganz normal zu geben. Ich glaube, gerade das war es, was sie neben
ihrem unbestritten fabelhaften Aussehen so ansprechend erscheinen ließ.«
»Kaum
zu glauben. So klein ist die Welt. Wann und wie oft haben sie diese Frau
gesehen?«
»Ich
denke es ist zehn Jahre her oder noch länger. Ich glaube zwei- oder dreimal war
sie beim Maître! Später wurde, soweit ich informiert bin, alles schriftlich
abgewickelt. Allerdings traf sie sich wohl ein paar Mal mit ihm in Zürich oder
in Wien. Das kann ich nicht mit Sicherheit behaupten - es ist - wie sagt man,
eine Ahnung.« Das war deutlich - zumindest fasste der Kommissar es so auf.
»Und
was wollte Sie? Ich meine, was war der Grund, dass sie den Notar aufgesucht
hat?«
»Sie
hat eine Liegenschaft gekauft, in Genf. Ich weiß natürlich nicht mehr welche,
aber das kann ich einfach feststellen. Sie besitzt eine Firma in Wien. Ich
glaube mich zu erinnern, dass es eine Spedition war. Wie ich bereits sagte, sie
war eine auffallende, charismatische Persönlichkeit.«
»Bitte
stellen Sie fest, um welches Gebäude es sich handelt und wie diese Firma in
Wien heißt.«
»Ich
rufe Sie an, sobald ich diese Unterlagen in den Händen habe. Jetzt muss ich
mich erst einmal um einen Flug kümmern.«
Patry
überlegte.
»Noch
eine Frage. Haben Sie in diesem Zusammenhang noch andere Personen im Notariat gesehen?«
»Monsieur
le Kommissaire, ich bitte Sie, das weiß ich nicht mehr … nach so vielen Jahren.
Diese Frau zum Beispiel, als ich das Bild im Fernsehen sah, wusste ich, sie war
da. Aber niemals hätte ich Sie mit diesem Verbrechen in Verbindung gebracht. Es
war übrigens das einzige Mal, da bin ich sicher, dass der Maître sich
anerkennend über eine Frau geäußert hat. Aber wie schon gesagt - sie war eine
ungewöhnlich attraktive Erscheinung, diese Frau Kaindel.«
»Ja
natürlich, es hätte ja sein können.«
»Ich
melde mich.«
Diese
neuesten Erkenntnisse untermauerten die jüngste Theorie des Kommissars.
»Dieser
alte Genussspecht - wer hätte sich das gedacht? Er muss von Sinnen gewesen sein
- sonst ist das unvorstellbar. Moralisch gesehen ein Schuldausschließungsgrund
- rechtlich sicher nicht.«
Nach
einer halben Stunde zog er sein Telefon aus der Jackentasche und wählte die
Nummer von Thomas.
Wien,
Oktober 1991
Eisenstein
saß nicht. Nein, er bewegte sich! Zwar nur in seinem Büro, in dem er hektisch
auf und ab lief, aber man hätte es filmen sollen. Und dieser Zustand harrte
bereits minutenlang an. Niemand konnte sich erinnern, dass Eisenstein jemals
freiwillig eine körperliche Anstrengung auf sich genommen hätte, ohne dass eine
absolute Notwendigkeit für so eine Strapaze vorlag.
Neben
seinem Marsch durchs Büro hielt er einen Monolog, bei dem er kein Ende fand. Er
war von einer Vision gefangen, die ihn seine gesamte Umgebung vergessen ließ.
Dass Thomas in seinem altersschwachen Schreibtischsessel saß, schien er nicht
zu bemerken - wobei er ansonsten gerade mit seinem Platz sehr heikel war.
»…
eine Serie machen wir, mein Gott Thomas, was hast du für ein Maszl. Komm, fass‘
mich an, vielleicht krieg ich was ab von deinem Glück. Fortuna hat ihr Füllhorn
über dir ausgeschüttet und ich habe ihr dazu geraten! Es ist nicht zu fassen.
Über dreitausend Leserbriefe … und beinahe jede Stunde was Neues. Ruf deinen
Freund, den Bullen in Genf an. Der Küniglberg hat angerufen. Sie wollen eine
Sendung mit uns aufnehmen. Im Report … wir kommen groß raus, du bist ein gemachter
Mann! Ich steh mit einem Bein schon im Grab, für mich ist das alles
bedeutungslos (diesen Spruch ließ die Blunzn vermutlich seit seiner Kindheit
ab), aber du, du bist jung, dir steht eine große Karriere bevor. SPIEGEL oder
Newsweek, vielleicht CNN … oder weiß der Kuckuck, wer da noch infrage kommt!«
Thomas
wollte
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