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Millionär

Millionär

Titel: Millionär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Jaud
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erwischt, springe ich vom Wickeltisch und rette mich in die Fußgängerzone. Als ich eine kleine Gruppe von Demonstranten sehe, die Flugblätter verteilen, komme ich auf eine Idee, wie ich Westhoffs Tourette-Turm stoppen könnte. Eine Viertelstunde später sitze ich bereits in der WebWorld.
    ZWEIUNDDREISSIG
    Bahn und Autos sind laut genug! Stoppt den Glockenlärm! Jetzt! Stiller Protest aller Glockengegner von St. Bartholomäus. Sonntag 15 Uhr, direkt vor der Kirche. Sülzer gegen Glockenlärm e.V.
    »Was machst du, Bichareh?«
    »Flyer für 'ne Demo!«, antworte ich trocken.
    »So eine Demo musst du aber anmelden!«, klärt mich Shahin auf, der urplötzlich hinter mir auftaucht.
    »Aber doch nur, wenn ich mit dabei bin oder?«, grinse ich.
    »Wie? Du rufst zu einer Demo auf, zu der du gar nicht gehst?«
    Ich stehe auf und gehe Richtung Drucker.
    »Ein guter Demokrat muss auch delegieren können. Unsere Bundeskanzlerin fliegt unsere Tornados ja auch nicht selber runter nach Afghanistan. Was kriegst du für fünfhundert Kopien, Shahin?«
    »Machen wir ... zehn Euro.«
    »Pack's auf meine Surf-Rechnung drauf, ja?«
    Die Zettel klebe ich an jede einzelne Ampel und jeden Stromkasten, lege sie in Geschäften aus und stecke sie unter Scheibenwischer aller Autos mit Anwohnerparkausweis. Als ich mich gegen fünf Uhr meiner Wohnung nähere, ist das bunte Möbel-und Kartonfeuerwerk zu Ende. Ich nehme den Penthouse-Schlüssel aus dem Briefkasten und werfe einen kurzen Blick in die Wohnung. Die debilen Möbel-Tonis haben sich doch tatsächlich an meine Zettel gehalten: Das Bett steht im Workout-Zimmer, der indische Esstisch und die weiße Couchgarnitur im
    Gästezimmer und das Fitness-Laufband unter den Dachfenstern im Schlafzimmer.
    »Kannste schön Sternchen kucken beim Laufen!«, grinse ich, hänge die Zettel zurück an die richtigen Türen und gehe drei Gehaltsklassen nach unten in meine Wohnung.
    Als ich mir eine knappe Stunde später meine Fischstäbchen mit Kartoffelbrei serviere, höre ich die ersten trippelnden Schritte über mir. Wie knapp! Hätte mich Prinzessin Botox' hurtige Rückkunft aus St. Moritz fast noch überrascht. Ich kann mich kaum auf mein Lieblingsessen konzentrieren, so emsig trippelt und trappelt es über mir, als verliefe direkt über meinem Teller eine Tussenautobahn.
    Tripptripptrapp. Trapp. Tripptripp.
    Ich höre auf zu kauen und halte die Luft an. Vermutlich hat sie ja in dieser Sekunde entdeckt, dass ihrem Wohnzimmer glatte 30 qm fehlen. Doch der Schrei des Entsetzens bleibt aus. Dafür gibt es neue Geräusche. Ich lege meine Gabel auf den Teller und drehe mein Ohr zur Decke.
    Da hätten wir zum Beispiel ein:
    Chhhhhhhhh ... k-tock!
    Oder ein:
    jkrck ... krck ... rattatatatata ... gtong! Gefolgt von einem: jtrrrrrrrrrr ... klick!
    Wo zum Teufel bin ich hier? Beim Essen oder bei einem billigen Fernseh-Geräuschequiz mit einem aalglatten Moderations-Zuhälter?!
    » Herr Peters, wann kam Ihnen denn die Idee, sich mit Geräuschen zu beschäftigen? «
    »Nun, ich hab gerade Fischstäbchen gegessen und da kamen all diese neuen Geräusche von dieser Trulla über mir.«
    »Ja, haha ... wie originell! Dann würde ich sagen, gehen wir gleich in die erste Runde mit folgendem Geräusch. Was würden Sie sagen, was das ist?«
    Chhhhhhhhh ... k-tock!
    »Mhhh ... ich würde sagen, meine neue Nachbarin schiebt einen Umzugskarton quer durchs Zimmer und stößt damit gegen die Fußleiste?«
    »Leider falsch, Herr Peters, sie stoßt mit dem Karton gegen einen hochwertigen Tropenholztisch. Null Punkte. Hier gleich das zweite Geräusch. «
    jkrck ... krck ... rattatatatata ... gtong!
    »Pub! Irgendeine Art von Schiebetür?« »Welche Schiebetür?« »Schlafzimmerschrank?«
    »Leider falsch, Herr Peters, es handelt sich um eine der bodentiefen Echtholzschiebetüren zur XXL-Dachterrasse mit sensationellem Parkblick.«
    »Was hat denn der Parkblick mit dem Geräusch zu tun?« »Gut beobachtet, Herr Peters, den Parkblick hat meine Redaktion nur hinzugefügt, um Sie zu demütigen. Null Punkte. Und hier ist schon das dritte Geräusch:«
    jtrrrrrrrrrr ... klick!
    »Sie ... lässt was einrasten?«
    »Richtig! Aber was?«
    »Ein Regal? Halt. Ein Regal aus hochwertigem Tropenholz!«
    »Leider falsch, Herr Peters, bei dem Geräusch handelte es sich um kein Regal aus hochwertigem Tropenholz, sondern um einen von Jonathan Ive designten Effekt-Lautsprecher für eine hochwertige Infinity Dolby Digital Anlage. Damit haben Sie wieder

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