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Millionär

Millionär

Titel: Millionär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Jaud
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wirklich umzugehen weiß. Genau deswegen sitze ich schon zwei Schlucke später auf einem kleinen weißen Lounge-Würfel, während die Königin der Unterschicht auf einem Design-Barhocker über mir thront. Abwechselnd werfen wir ein paar Wörter in den SmalltalkMixer.
    »Sorry, ich hab drei Sitz-Würfel eigentlich, aber ...«
    »Kein Thema, ich schau einfach hoch .«
    »Und? Wie lange wohnst du schon hier?«
    »Hier im Haus zwei Jahre, in Köln elf Jahre. Und Sie ... du?«
    »Hier im Haus zwei Stunden, davor New York, Los Angeles, London und Rom.«
    »Rom?«
    »Rom!«
    »Und davor . London . New York .«
    »Und LA, genau.«
    »Soll ja total überschätzt sein LA, hat mir ein Freund erzählt.«
    »Dann kennt er wahrscheinlich nicht die richtigen Leute. Ich kenn die richtigen Leute.«
    »Toll! Und . wie findest du Köln so bisher?«
    »Hässlich. Asozial. Provinziell. Aber, um auch was Nettes zu sagen: unfassbar billig.«
    Ich drücke meinen Kloß vom Hals in den Brustbereich. Aus mir unerklärlichen Gründen stimme ich ihr zu und sage:
    »Na ja . hässlich. Wurde ja im Zweiten Weltkrieg alles zerbombt und .« »Wenn du mich fragst: am besten nochmal komplett plattmachen und neuer Versuch. Das was hier steht geht ja gar nicht.«
    Ich muss hier weg, warum stehe ich nicht auf. Noch schnell meine Kinderlimo wegmachen, kurz lächeln und sagen:
    »Danke für die Kinderlimo; aber ich muss dann leider mal wieder!«
    Netter Versuch, aber Johanna drückt mich zurück in den Lounge-Würfel.
    »Bevor du gehst, könntest du mir noch einen klitzekleinen Gefallen tun.«
    Ich schaue auf. Was kommt denn bitte jetzt?
    »Die dämlichen Möbelpacker haben nämlich irgendwie die ganzen Zimmer verwechselt und jetzt ... Na ja ... ein paar von den Möbeln sind ganz schön schwer.«
    Ich halte die Luft an und kralle mich an meiner leeren Fanta fest. Das meint die jetzt aber nicht ernst, oder?
    »Nur ein Stündchen oder zwei, dann hätten wir's! Was meinst du?«
    In einer Mischung aus Protest und Irritation beginnt mein Auge zu zucken. Ein Zeichen, das Johanna offenbar als »Ja« deutet. Dieses gerissene Luder! Ächzend stehe ich auf. Wir schleppen den indischen Tisch vom Gästezimmer zurück ins Wohnzimmer und die komplette sechssitzige Couchgarnitur in die andere Richtung. Ein von innen beleuchteter Wohnzimmertisch, der vom Gästeklo ins Wohnzimmer muss, entpuppt sich als besonders schwer.
    »Wenn man was abstellt auf dem, dann wechseln die Farben!«, erklärt mir Johanna stolz.
    »Und ich wechsle die Farbe, wenn ich ihn trage!«
    »Wieso jetzt?«
    »Vergiss es.«
    Ich hab kurz Angst, dass sie den Tisch loslässt um mit den Händen darauf zu trommeln. Ich liege falsch. Sie lässt ihn los, weil ihr Handy klingelt.
    »Sekündchen! Meredith! Das ist ja Welt, dass du anrufst, rate mal wer hier ist! Was? Hihihihihi! Sag ich ihm!«
    »Sie verspricht nie wieder bei dir zu klingeln.«
    »Gut!«
    Es plaudert sich nicht so leicht, wenn man gerade einen zentnerschweren Tisch durch die Gegend wuchtet. Und während Johanna mit Meredith über Shopping, Fusion-Food und die neue Zen-Suite in Grand Resort Lagonissi quatscht, wuchte ich das Mobiliar des kompletten Gästezimmers zurück an den korrekten Ort. Als ich gerade eine solide Truhe durch den Türrahmen wuchte, höre ich, wie Johanna vorschlägt, einen Tisch auf die EMI zu reservieren. Das ist entweder eine japanische Kollegin oder eine Plattenfirma. Wenigstens beendet Johanna in diesem Augenblick ihren Tussen-Talk und eilt zu Hilfe.
    »Ach du lieber Himmel, die Truhe! Nimm doch wenigstens die Hanteln raus!«
    »Hanteln?«
    Krachend stelle ich die Kiste ab und reiße sie auf. Randvoll mit Sport-Gewichten. Johanna entschuldigt sich mit klimpernden Wimpern und mädchenhaftem Knicks. »Sorry!«
    Ich sage »Kein Problem« und setze mich erschöpft auf die Kiste.
    »Du bist bei der EMI?«
    »Ja.«
    »Cool. Und, was machste da so?«
    »Geschäftsführung für Europa.«
    Mir fällt fast das Gesicht aufs Parkett.
    »Auch ... äh ... auch cool.« »Und du?«
    »Ich?«
    Wahrscheinlich ist es genetisch bedingt; jedenfalls ist es für einen Mann nahezu unmöglich, neben einer geschlechtsreifen Frau aus demselben Kulturkreis zu sitzen und stolz zu sagen, dass man Hartz IV empfängt. Besonders wenn man gerade erfahren hat, dass diese Frau in der Geschäftsführung eines der größten Plattenlabels ist und im Penthouse über einem wohnt. Ich entscheide mich dennoch für die ehrliche Variante. Es fällt

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