Millionär
schwer.
»Sagen wir so ... ich hab das Glück, nicht mehr arbeiten zu müssen.«
»Ja geil. Respekt. Ist übrigens ganz mein Motto: Wer früh Gas gibt, ist schneller auf den Seychellen.«
»Was?«
»Du, das muss dir nicht peinlich sein. Ist doch supi, wenn du's schon geschafft hast. Wie alt bist du?«
»32.«
»Hey! Ich auch! Is ja Welt! Gib mir fünf!«
Wir schlagen ein wie zwei American Football Profis nach einem homerun. Kann sein, dass ich dabei ein klein wenig kraftloser wirke als sie. Johanna ist GENAUSO ALT wie ich! Und warum wohnt sie dann über mir? Warum fährt sie einen Hummer und kann den Park sehen? Ich glaube mir wird schlecht.
»Ich finde Männer gut die Gas geben. Weißt du ... naja ... ich war mal mit 'nem Schlagzeuger zusammen in Rom. War toll und so aber, letztendlich hatte ich keinen Respekt vor ihm.«
Vorsichtig stelle ich meine leere Fantaflasche aufs Parkett.
»Hat . hat er schlecht gespielt?«
»Er hat geil gespielt, aber er hat nix verdient. Auf Dauer ging das natürlich nicht. Ich meine, wie soll ich Respekt haben vor einem Mann, der nicht mal ansatzweise dazu in der Lage ist, später mal 'ne Familie zu ernähren? Ein Haus zu bauen und ein Ferienhaus?«
In diesem Augenblick erfinde ich die Geste der bedingungslosen Simon-Peters-Kapitulation: Während ich die Schultern nach oben ziehe, schüttle ich gleichzeitig den Kopf, schreibe mit den Händen ein hilfloses »Weiß nicht« in die Luft und beiße die Zähne aufeinander. Wie armselig. Dennoch klopft mir Johanna anerkennend auf die Schulter.
»Echt cool, dass du nicht mehr arbeiten musst. In welcher Branche warst du denn?«
Scheiße.
»Es ist nur wirklich nichts Besonderes.«
In welcher Branche ich war, fragt sie. Denk nach, Simon!
»Sorry, ich bin immer so neugierig.«
Sag irgendwas!
»Schon okay. Ich ... ich habe Schlupfnoppen gemacht!«
»Schlupfnoppen?«
Johanna beömmelt sich ein wenig gekünstelt. »Was machen diese Schlupfnoppen denn?«
Ich setze ein bedeutungsvolles Gesicht auf und sage: »Ohne Schlupfnoppen wäre die Welt nicht so, wie wir sie kennen. Weil ... ohne Schlupfnoppen läuft heutzutage gar nichts mehr.«
So. Das muss reichen. Johannas Gesicht spricht da allerdings eine andere Sprache. Vielleicht sollte ich sie nicht mit jedem Satz noch neugieriger machen. Ich atme durch und versuche so souverän zu wirken wie Nelkenjakob beim argentinischen Tischefang.
»Okay. Schlupfnoppen. Hast du dich jemals gefragt, warum sich manche Dinge so schön drehen?«
Mit geöffnetem Mund schüttelt Johanna den Kopf, den Blick fest auf mich gerichtet. »Schade. Wie auch immer. Schlupfnoppen sind überall da drin, wo Dinge sich schön drehen: in Küchenmixern, im Auto, in Ventilatoren!«
»In meinem Hummer auch?«, fragt Johanna mit großen Augen.
»Mindestens einhundert Schlupfnoppen!«
»Ja, geil! Und die hast DU gemacht?«
»Na ja, nicht ich direkt .«
Schlupfnoppen hin oder her: time to go! Ich ziehe meinen bleischweren Körper ins Senkrechte.
»Ich muss dann leider wirklich los. Vielleicht können wir das Laufband ja auf ein anderes Mal verschieben.«
»Brauchen wir gar nicht. Das Workout-Zimmer bleibt da, wo es ist. Die Dachluken sind klasse für 'n Sport, außerdem kann ich dann beim Laufen den Park sehen. Wenn ich schlafe, sehe ich ja eh nix.«
»Stimmt. Gute Nacht.«
Johanna begleitet mich zur Tür.
»Weißt du was?«
Ich schüttle mit dem Kopf.
»Ich freu mich, dass ich so einen coolen Nachbarn habe!«
In meiner Wohnung angekommen will ich noch einen Schlum-mifix trinken, doch irgendwie hab ich nicht mal mehr die Kraft von der Couch aufzustehen. Die EMI-Geschäftsführung hat mir meinen kleinen Hartz-IV-Tag zugeschnürt wie einen AldiMeisenknödel. Sie tat es kaltblütig und mit dem Selbstbewusstsein eines afrikanischen Schrebergarten-Diktators.
Ich gehe ins Schlafzimmer, lege meine große Taschenlampe zurecht und mich falschherum ins Bett. Schließlich knipse ich
kleinlaut das Nachttischlicht aus, ziehe die Decke über den Kopf und schäme mich. 32! Sie ist 32! Genauso wie ich. Diese Tatsache mag banal erscheinen, aber sie bedeutet letztendlich nichts anderes als: Sie hat es geschafft und ich nicht. Ich beiße in meine Bettdecke, da höre ich etwas über mir. Es ist ein rhythmisch summendes Geräusch. Ich weiß sofort, woher es kommt. Schließlich habe ich höchstpersönlich dafür gesorgt, dass im Penthouse alles so steht wie es steht. Warum auch immer die EMI-Geschäftsführung der Meinung
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