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Millionär

Millionär

Titel: Millionär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Jaud
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keinen Punkt und der Jaguar geht an den Manager der Deutschen Bank, der alle Geräusche richtig hatte.«
    Es wird weiter geschoben, geklopft, gepoltert und geklickt. Was mich allerdings wirklich wahnsinnig macht, sind weniger die neuartigen Geräusche als meine plötzliche Hilflosigkeit. Geht das von jetzt an so weiter da oben? Jeden Tag und jeden Abend? Oder ist das nur der Umzugstag?
    In der ersten Werbepause des Perfekten Dinners kommt Musik zum Trippeln dazu. Sind das Klarinetten? Oboen? Laubbläser? Ist sie Klassik-Fan? Nein, ist sie nicht, denn nun höre ich die mehr als bekannte Stimme eines Mannes, auf den alle Frauen abfahren, seit Neuestem sogar die Schwestern diverser Entzugskliniken. Weil der Robbie einfach saugeil aussieht, sagt Paula. Weil er das Böse im Blick hat, schwärmt Daniela. Weil die Frauen immer wieder auf die gleichen Frauenschläger-Machos reinfallen, sage ich. Typisch Frau ist das. Erst verzückt dahin-schmelzen, weil er »das Böse im Blick« hat und sich später wundern, dass sie eine gescheuert kriegen, weil das Abendessen nicht schmeckt.
    Ich und vermutlich der Rest des Wohnhauses hört »I will talk and Hollywood will listen«, den ersten Song von Robbie Williams' langweiligem Swing-Album. Wer den Song kennt, der weiß, dass sich Williams' Stimme was die Tonhöhe betrifft in der ersten Strophe irgendwo zwischen Vorhautverengung und Arsch auf Grill bewegt.
    Iwouldn't be so alone if they knew my name in every home Kevin Spacey would call on the phone But I'd be too busy
    Nach »busy« wird die Musik noch ein wenig lauter. Ja spinnt die denn? Ich stehe auf und rase in mein Schlafzimmer. Dort ist es leiser. Ein bisschen.
    Okay. Jetzt hab ICH das Böse im Blick. Ja, was passiert denn erst, wenn gleich das Orchester einsetzt? Kracht dann die ganze Wohnung runter? Oder nur der Kühlschrank und der Tropenholz-Tisch? Wie wahnsinnig laufe ich kreuz und quer durch meine Wohnung. Ich muss was machen. Ich muss doch was machen! Hochgehen! Polizei rufen. Bundesgrenzschutz und das Ordnungsamt. Moment mal! Die singt doch nicht etwa jetzt noch mit da oben, oder?
    IIIIIIIIII will talk aaaaand Hollllllywood will listen!!!
    Sie singt mit. Und sie singt genau so, wie sie sich schminkt! Wie unter Schock kralle ich mich an meine Couch und starre nach oben. Keine zwei Stunden im Haus, aber schon Terror machen. Wo er doch die Ruhe braucht! Es folgen zwei weitere RobbieTitel.
    In der Mitte von »Do nothing till you hear from me« springe ich auf, stecke den ausgeliehenen Wohnungsschlüssel ein und gehe nach oben. Energisch poche ich gegen ihre Tür. Ich habe auch Rechte als Nachbar und die kann ich einfordern! Schon ein einfaches aber höfliches »Drehen Sie dieses jämmerliche Britengewinsel leiser oder ich ruf die Bullen!« kann einem ein ganzes Jahr harmonischer Ruhe einbringen. Ich poche noch immer, die Musik wird leiser, die Tür geht auf und ein freudiges Lächeln erschlägt mich.
    »Hiiiiiiii! Ich wollte gerade runtergehen und mir den Schlüssel holen. Kommen Sie rein!«
    Ich nicke und betrete die Wohnung. Die war doch garantiert in so einem Kommunikationsseminar, wo man lernt, wie man einem stinksauren Nachbarn in einer Sekunde den Wind aus den Segeln nimmt.
    »Ich brauch nur noch 'ne Sekunde im Bad!«
    Noch bevor ich irgendetwas sagen kann, verschwindet Johanna in einem Badezimmer und lässt mich inmitten ihres begehbaren Habitat-Katalogs stehen. Ich fühle mich wie ein bulgarischer Kesselschmied auf der Oscar-Verleihung.
    »Ich hab Getränke gekauft!«, höre ich Johanna aus einem der Bäder rufen.
    »Okay!«, rufe ich schüchtern zurück und rühre mich nicht.
    »Ich nehme auch eins!«, tönt es gut gelaunt aus dem Bad.
    Ich nicke stumm und gehe auf den einsamen Ami-Kühlschrank im noch leeren Küchenbereich zu. Im Kühlschrank liegen eine einzige Flasche Bier und eine Fanta. Ich nehme die beiden Flaschen heraus und gucke nach einem Öffner.
    »Die dreht man auf!«
    Hinter mir steht Johanna in einer bauchfreien weißen Stoffhose und einem pinken Wolltop. Sie nimmt sich das Bier, dreht den Verschluss auf und grinst mich an.
    »So!«
    Der Duft eines aufdringlichen Parfums steigt in meine hilflose Nase.
    »Vielen Dank für Ihre Hilfe nochmal. Ich bin Johanna.« »Simon.«
    »Das mit dem >Sie< ist doch albern, oder?«
    »Aaaabsolut!«
    Wir stoßen an und ich würde am liebsten sofort verschwinden. Irgendeine seltsam dominante Energie geht von dieser straffen Person aus, eine Energie, mit der ich nicht

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