Millionär
sage ich laut zu mir selbst, dann tippe ich ein weiteres Mal ihre Nummer. Es geht ein Herr Fleischer ran. Ich lege auf ohne ein Wort zu sagen.
Mist.
Wo wir uns so schön unterhalten haben.
Oder hab ich wieder irgendwas falsch gemacht ohne es zu merken? Ich wüsste nicht was. Warum sagt mir Annabelle auch nicht, wie sie aussieht? Da ist doch eh was faul. Am Ende ist das 'ne schwabbelige, kettenrauchende Kuh, die mich nur deswegen ausfragt, um meine Adresse an zehn Sportartikelfirmen durchzugeben und dann wissen alle, dass ich zwar schlank bin, aber nicht durchtrainiert und Anfang dreißig. Ich will gerade rübergehen ins Schlafzimmer und mein Handtuch gegen ein T-Shirt tauschen, da höre ich eine Art Sprechchor von draußen. Irgendwas mit »Trocken« und »Kirche hocken«. Ich reiße den Vorhang auf und sehe mindestens 200 Menschen, die, teilweise mit Transparenten, vor der Kirche stehen. Lesen kann ich keines von hier oben. Als ich jedoch einen Mann sehe, der sich zwei selbstgebastelte, ananasgroße Ohropax auf die Ohren geklebt hat, ahne ich, um was es sich bei dieser Veranstaltung handeln könnte: meine Demo! Erschrocken schaue ich auf die Uhr. Es ist genau 15 Uhr. Und jetzt verstehe ich auch den Sprechchor:
Ohne Glocken in die Kirche locken!
Ohne Glocken in die Kirche locken!
Ohne ...
Panisch schließe ich Tür und Vorhang, verbrenne die übrig gebliebenen Flyer, mit denen ich zu dieser Demo aufgerufen habe, im Waschbecken und mache mir mehrere Bier auf.
die schlimmste woche meines lebens
Es ist Montagmorgen. Ich hab beschissen geschlafen und sitze mit meinem ersten Kaffee am Küchentisch. Sanfte Sonnenstrahlen dringen durchs Fenster und umschmeicheln mein übermüdetes, übellauniges Gesicht so zärtlich als wollten sie sagen: Lächle Simon, lächle! Eine neue Woche liegt vor dir, prall gefüllt mit Möglichkeiten, Liebe, Leben ...
»Leck mich!«, beschimpfe ich die Sonne und ziehe die Vorhänge zu. Für derartig sinnlose Anflüge positiven Denkens habe ich keine Kraft nach so einer Nacht. Nicht etwa wegen des unerträglichen Muskelkaters vom Joggen oder des seltsamen Karnevalsanrufs, war ich wachgelegen, neeiiiin . Ich habe vor allem deswegen schlecht geschlafen, weil meine nagelneue Nachbarin die halbe Nacht versucht hat, ihre dämliche Spielkonsole im Tennis zu schlagen. Erst dachte ich, dass sie eine Tennisübertragung schaut, doch dann hat mich die Kindermusik zwischen den einzelnen Ballwechseln stutzig gemacht und Johannas Kommentare: »Schlecht! Ahhhhh! Sooo schlecht, Johanna!«
Es war so um drei Uhr morgens, als ich mich zu ihr hochgeschleppt und geklopft habe. Im Gegensatz zu mir war Johanna natürlich hellwach und hat eine weiße Fernbedienung in der Hand gehalten.
»Was macht denn diese komischen Geräusche?«, hab ich gefragt.
»Ich spiel Tennis auf der Wii. Bin ich zu laut?«
»Nein. Zu schlecht!«
Statt der neureichen Nervensäge mal so richtig die Meinung zu sagen oder ihr zumindest den goldenen Tussenhintern zu
versohlen, bin ich wieder gegangen, ich Idiot. Wäre sicherlich Welt gewesen .
Ich mache mir eine zweite Tasse Kaffee, als ein schielender Westmail-Bote klingelt und die Vanity Fair, Glamour, Park Avenue und Cosmopolitan für Johanna bringt. Ich tunke die Zeitschriften in mein Klo und werfe sie vor ihre Tür. Dann schreibe ich Wellberg einen Zettel mit der freundlichen Bitte, endlich die verschissene Nazi-Klingel zu reparieren. Natürlich verpasse ich meine 8 Uhr 46 Bahn. Ich verpasse auch die 8 Uhr 56 Bahn und die 9 Uhr 06 Bahn. Wo ich doch die Welt verbessern muss .
Gegen zehn Uhr schließlich schleppe ich mich mit dunklen Rändern unter den Augen zu Shahins WebWorld. »Morgen!«
»Wie siehst du denn aus?« »Neue Nachbarin!«
»Hast du Sex gehabt die ganze Nacht?« »Ja, genau!«
Lustlos klicke ich mich durchs Netz. Bei tchibo.de lege ich vier Spiegeleierformer in Herz-, Katzen-, Küken- und Kleeblattform in den Warenkorb und frage den Kundenservice per Mail, warum es keine Spiegeleierformer in Spiegeleierform gibt. Ich schreibe außerdem eine Mail an spiegel.de mit der Frage, ob abzusehen ist, wann wieder was passiert.
Als ich am Abend nach Hause komme, werde ich fast von Johannas Hummer angefahren. Sie fragt mich, wie das mit dem Putzen läuft, im Hausflur. Ich antworte ihr, dass das normalerweise die Hausbewohner selber machen, ich aber natürlich eine Angestellte für so was habe. Ist eine ziemlich blöde Idee, weil
Johanna mich daraufhin bittet, meine Putzfrau
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