Millionär
diese Woche das Treppenhaus für sie reinigen zu lassen. Sie hätte nämlich noch keine eigene Raumpflegerin und natürlich keine Lust, derartige Arbeiten selbst zu verrichten, dafür habe sie nicht sechs Jahre lang in London studiert. Ich sage, das sei kein Problem, meine Angestellte verlange aber immer dreißig Euro. Natürlich rufe ich sofort Lala an und frage sie, ob sie am Dienstag unser Treppenhaus putzen könnte für zwanzig Euro. Leider ist Lala gar nicht mehr in Köln, sondern wieder in ihrer kroatischen Heimat, wo sie erfolgreich Apartments an deutsche Touristen vermietet.
»Siiiimon! Bin ich endlich wieder zu Hause! Fahr ich 3 er BMW. Wohn ich in Haus mit Blick ins Meer. Sagst du Glückwunsch!«
»Glückwunsch, Lala.«
Nach diesem Gespräch sitze ich zehn Minuten stumm da und starre in meinen Herbstbaum, wo sich inzwischen die Hälfte der Blätter das Leben genommen hat.
Sogar Lala hat es geschafft!
Am Abend lädt Johanna mich zu sich ein, um gemeinsam mit ihr Tennis zu spielen auf ihrer blöden Kinderspiel-Konsole. Einen Teufel werde ich tun. Ich sage, dass ich wahnsinnig gerne mitspielen würde, mir aber totenschlecht sei von einer verdorbenen Lachs-Tortilla. Eine dumme Idee, denn 1. bittet sie mich, meinen Backofen für einen mexikanischen Auflauf benutzen zu dürfen, wo sich das mit ihrer Küche verschoben hat, und 2. spielt sie noch schlechter an diesem Abend: »Schlecht! Schlecht! Schlecht! Sooooo schlecht, Johanna!«
Nach dem neunten Match habe ich herausgefunden, wo es in meiner Wohnung am leisesten ist, während Johanna Weltranglistenpunkte sammelt: in meiner Abstellkammer.
Dienstag. Habe beschlossen, das Treppenhaus selber zu putzen und die dreißig Euro von Johanna einzustecken. Krieg für die Kohle immerhin drei Kästen Kölsch oder fast sieben Hartz IV Menus in der Jägerklause. Unglücklicherweise kommt Johanna ausgerechnet dann von der Arbeit, als ich gerade vor ihrer Tür putze. Ich lasse alles stehen und liegen und tue so, als würde ich meine Putzfrau suchen. Johanna starrt mich an dabei und sagt zum ersten Mal kein Wort.
»Lala? Laaaaaala?«, rufe ich, »die halbe Treppe ist schmutzig, jetzt aber zack zack!«
Meine verzweifelten Rufe verhallen angehört im trüben Hausflur. Johanna starrt mich ungläubig an und macht ein Gesicht, das ich lange nicht vergessen werde. Und dann verändert sich ihre Miene von »hallo, ich bin die nagelneue Nachbarin« zu einer Mischung aus Überlegenheit, Hohn und Schadenfreude.
»Wer früh Gas gibt, ist schneller auf den Seychellen, ja?«, fragt sie mit einem giftigen Grinsen.
»Absolut!«, lache ich. »Absolut!«
»Na dann .«
Kopfschüttelnd verschwindet Johanna in ihrem Penthouse und lässt mich im Hausflur stehen wie einen verarmten Deppen. Erst in meiner Wohnung wird mir der Grund für den Stimmungswechsel meiner Nachbarin klar: An meiner rechten Hand trage ich noch immer den gelben Gummihandschuh vom Putzen.
Ich schäme mich in Grund und Boden und würde am liebsten für immer in meiner Abstellkammer untertauchen. Als ich mich wieder einigermaßen beruhigt habe, versuche ich Annabelle zu erreichen. Es sind immer andere Kollegen dran, die mich nicht verbinden wollen. Hätte mir ja auch ruhig mal eine Durchwahl oder so was geben lassen können, ich Idiot. Am Abend lässt Johanna ihr Robbie-Williams-Album rauf und runter laufen. Ich glaube, ich höre es insgesamt sieben- oder achtmal. Gegen Mitternacht sehe ich Johanna leicht angetrunken den Hausflur hochgehen. Keine Minute nachdem sie in der Wohnung ist geht die Musik aus. Unfassbar! Sie hat die Musik die ganze Zeit laufen lassen, obwohl sie gar nicht da war!
Weil ich mich zu sehr schäme, um noch mit ihr zu sprechen, hefte ich ihr ein gelbes Post-It an die Tür mit der Frage: »Warum lassen Sie denn Musik laufen, wenn Sie gar nicht da sind? Grüße, Horst Schnabel.«
Der Mittwoch beginnt mit einem einzigartigen Triumph: Es läuten keine Kirchenglocken mehr um kurz vor acht, offenbar hat meine Phantomdemo wirklich was gebracht! Doch die Freude ist schnell verraucht, als ich einen pinken Notizzettel an meiner Eingangstür finde:
»Ich lasse Musik laufen, damit die chilenischen Einbrecher denken, ich sei zu Hause. Grüße, Johanna Schnabel.«
Donnerstag. Aus Scham wird Wut. Hab fast kein Auge zugemacht in dieser Nacht, weil das sportsüchtige Kackhuhn bis vier Uhr Tennis gespielt hat auf ihrer Scheiß Wii. »Schlecht. Schlecht. Schlecht!«
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