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Millionär

Millionär

Titel: Millionär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Jaud
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zähle mein Bargeld. Ich hab noch genau 23 Euro und 90 Cent. Denke, das müsste reichen, um mich für heute irgendwo komplett wegzuballern. In meinem zweizimmrigen Geräusch-Guantanamo bleibe ich jedenfalls keine Sekunde länger!
    die unterschicht schlägt zurück
    Die Jägerklause platzt fast aus allen Nähten. Aus den Lautsprechern quillt Zwei-Sterne-Schlagermusik, Billo-Mucke also, die man sonst nur auf Busreisen an die Adria hört. Karl-Heinz, der aussieht wie eine Mischung aus Käpt'n Iglu und Kurt Beck, steht gut gelaunt hinter dem Tresen, zapft fleißig Kölsch und summt die Schlager mit. Seinen Bleistiftstummel hat er akkurat hinters gerötete Ohr geklemmt. Ich setze mich auf den letzten freien Platz am Tresen, exakt vor die aufgeklebte 2-Euro-Münze. Einmal hab ich versucht sie wegzunehmen, was bei Karl-Heinz einen köstlichen Lachanfall ausgelöst hat. Ich schiebe ihm meinen 20-Euro-Schein und die Münzen hin.
    »Karl-Heinz? Reicht das, um mich abzuschießen?«
    Durch den Rauschebart hindurch lässt sich ein Grinsen nur erahnen. Gastwirte sind ja generell unterfordert. Gibt man ihnen eine sinnvolle Aufgabe, freuen sie sich. Er nickt.
    »Dat kri' ich hin.«
    Also doch gegrinst.
    Das Beste an der Jägerklause, neben Pächter Karl-Heinz natürlich, sind die Sprüche der Stammgäste, die auf diversen Frühstücksbrettchen eingebrannt sind. Es sind Sprüche wie »Lieber Karl-Heinz, danke für viele hunderttausend Kölsch. Chris & Marc.« oder »Im Rausch zeigt sich der wahre Gentleman. John.«
    Ich bekomme ein Kölsch und einen Schnaps. Das Kölschglas einmal angesetzt, einmal kurzes Schnapsgesicht und zack sind beide Gläser leergezischt. Herrlich! Mein Blick fällt auf eine geöffnete Zigarettenpackung auf dem Tresen. Hey! Was ist das denn jetzt für eine geile Idee? Ich könnte ja wieder mit dem
    Rauchen anfangen, jetzt, wo eh alles egal ist. Ich bekomme meine zweite Runde vom überaus aufmerksamen Karl-Heinz.
    »Kölsch un Kabänes. Wie föhls de dich?«
    »Nüchtern wie ne Nonne auf Rügen.«
    Zack. Schnapsgesicht!
    »Ich bränge noch en Rund.«
    »Danke!«
    Ich tippe den Besitzer der Zigarettenschachtel an.
    »Tschuldigung. Kann ich eine haben?«
    Der Herr dreht sich um und ich falle fast von meinem blankpolierten Holzhocker. Es ist Zwirbeljupp, mein Vermieter.
    »Herr Peters!«
    Ein wenig überrascht schiebt er die Kippen in Richtung meines Kölschglases.
    »Ja, bedienen Se sich! Ich hab Se jar nit jesehen!«
    Umständlich friemel ich mir eine Zigarette aus der Zwirbel-jupp-Packung. Wir stoßen an und leeren beide das Kölsch auf Ex.
    »Wie jeht et denn mit der Wohnung, Herr Peters?«
    »Beschissen! Die arrogante Kuh schmeißt gerade 'ne Party .«
    »Arrojante Kuh?«
    »Frau Johanna Hummertussi arrogante Kuh Stähler. Miss Pain in the Ass nagelneue Nervensäge Stähler. Die Königin der Unterschicht. Ihre Mieterin. Meine Nachbarin. Prost!«
    »Danke. Ich hab et bejriffen.«
    »Sogar 'ne Band spielt da gerade. Raten Sie mal wer?«
    »Kein Ahnung .«
    »Roger Cicero!«
    Fast schon reflexartig dreht Zwirbeljupp sich zum Tresen.
    »Karl-Heinz, maach däm Jung noch e Kölsch un ene Kabänes op minge Deckel!«
    Offenbar habe ich sein tiefstes Mitgefühl. Ich bekomme Feuer, nehme einen ersten Zug und fühle mich augenblicklich als hätte ich nie aufgehört zu rauchen.
    »Alle paar Tage hat sie diesen aufgepumpten Sportaffen bei sich, mit dem sie trainiert. Wenn mal keiner da ist hört sie Robbie Williams, telefoniert oder rennt auf ihrem verschissenen Quietsch-Laufband und singt dazu. Aus meiner Dusche kommt kein Tropfen, wenn sie gleichzeitig mit mir duscht, und die Klingel geht immer noch nicht.«
    Ich packe den verdutzten Wellberg an seinen Schultern und schüttle ihn durch, als würde ich ihn aus einem Albtraum reißen wollen.
    »Ich flehe Sie an, Herr Wellberg! Schmeißen Sie das blonde Monster raus! Geben Sie mir 'ne Wohnung im Erdgeschoss. Machen Sie irgendwas, ich halte das nicht mehr aus! Das neureiche Geschwätz nicht und das Getrampel nicht und ... eine Sekunde, bitte!«
    Ich greife nach dem Kölsch und dem Schnaps, den ich eben bekommen habe und schütte beides in mich rein ohne zu schlucken. Schnapsgesicht!
    »... und ihr blödes Videospiel nicht. Schlecht! Schlecht! Schlecht!«
    Jetzt nimmt Zwirbeljupp ebenfalls einen Schluck Kölsch. Er wirkt nachdenklich.
    »Vielleicht hätt ich mer die Madame ja wirklich e bissje jenauer angucken sollen. Abber jetz kann ich nix mehr für Se tun.«
    »Wieso denn

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