Millionär
Wick Blau schmecken nach WC-Reiniger.«
Ärgerlich, wie einem seine Vergangenheit immer wieder aufs Brot geschmiert wird. Trotzdem bin ich froh, endlich wieder mit Annabelle zu sprechen.
»18 Uhr 37? Das ... kann nicht sein. Ich ruf doch nicht während der Simpsons an und beschwere mich über Halsbonbons.«
»Stimmt«, lacht Annabelle, »normalerweise rufst du in den Werbepausen vom Perfekten Dinner an ...«
Ein wenig umständlich versuche ich mich meiner Jacke zu entledigen und gleichzeitig weiterzutelefonieren. Seltsam. Mr. Bean hat das schon einmal geschafft, das hab ich vor Jahren mal an Bord eines Urlaubsfliegers gesehen.
»Hab das Frosch-Foto bekommen. Sieht lustig aus auf dem Mixer.« »Gut. Und sorry nochmal wegen der Karnevalsgeschichte ...«
»Schon vergessen.«
»Na Gott sei Dank. Ich hab aber jetzt gar kein akutes Problem mit euren Produkten.«
Irgendwie hab ich mich jetzt komplett verheddert mit meiner Jacke. Ein Arm ist bereits fast frei, lediglich meine Hand hängt noch fest am vorderen Teil des Ärmels, wofür ein trotziger Knopf verantwortlich zeichnet.
»Och, schade. Ich war mir da eigentlich ziemlich sicher. Dann leg ich mal besser wieder auf, oder?«
»Nein, halt! Warte! Ich hab gleich ein Problem! Der . Dings ... hilf mir ...!«
Der eine Arm ist frei und ich kann den Hörer wechseln.
»Swiffer?«
»Nein . äh . was man sich ins Haar schmiert beim Duschen?«
»Shampoo!«
»Richtig. Und von euch ... daaa gibt es doch das ...«
Mit dem Hörer zwischen Schulter und Ohr versuche ich mir den anderen Teil der Jacke abzustreifen, scheitere aber auch dort am Knopf, den ich nicht mehr erreiche, weil ich den Ärmel drübergezogen habe.
»Pantene Pro V, Wella, Head & Shoulders, Wash & Go?«
»Wash & Go!«
»Was ist damit?«
»Es ist ... leer.«
»Leer?« Annabelle lacht. »In diesem Fall schicken wir selbstverständlich eine neue Flasche!«
Yap! Ich bin die Jacke los. Erleichtert lasse ich mich auf meine Couch gleiten.
»Wie geht's dir denn?« »Geht so.«
»Geht so ist schon mal nicht gut, oder?«
»Ich weiß halt manchmal gar nicht so genau, warum ich eigentlich hier bin.«
»Na ja, das ist weil sich deine Mama und dein Papa mal gaa-aanz lieb hatten.«
»Lustig, aber ich meine in Maastricht.«
»Na ja, haste ja gesagt. Weil dein Freund von der Tankstelle seinen . halt! Nicht, dass du wieder auflegst!«
»Keine Angst. Vielleicht war ich ein bisschen empfindlich letztes Mal. Ich frag mich halt immer noch, wie blöd man eigentlich sein muss, wegen einem Kerl die Stadt zu verlassen.«
»Du bist nur wegen ihm gegangen?«
»Ja. Ich war sowieso fertig mit dem Studium, als ... - Da hab ich mir gedacht, jobbst du halt 'ne Weile in Holland. Läufste ihm wenigstens nicht in die Arme. Na ja. Die Weile dauert jetzt fast ein Jahr.«
»Ein Liebes-Exil sozusagen. Kannst ja Kabel eins anrufen, die machen sofort 'ne siebenteilige Doku draus: Mein neues Leben XXL - Morgen geht's nach Maastricht. «
»Eine Doku über meinen Ex fände ich besser. Der hat jetzt nämlich ein Kind mit 'ner 43-jährigen Erzieherin aus dem Taunus. Und alles wegen zwei Minuten Spaß an Karneval. Lustig, oder?«
»Legst du wieder auf, wenn ich's lustig finde?«
»Nein.«
»Dann find ich's lustig! Tja, Annabelle, so sind wir Männer halt. Nach dreißig Kölsch steht das Thema Treue nicht unbedingt ganz oben auf der Tanzkarte.«
»Hätte ich das mal vorher gewusst. Und du?« »Ich bin als Express-Zeitungskasten gegangen, hab aber keine Frau abbekommen. Ein besoffener Pinguin hat mir mal fünfzig Cent eingeworfen, das war's.«
»Ob du auch so unten bist, wollte ich eigentlich wissen.«
»Ich hab erstens keine Freundin und zweitens gar kein Geld für dreißig Kölsch.«
»Und? Wenn du Geld hättest und 'ne Freundin? Wärst du dann
so?«
»Wie soll ich das wissen? Ich krieg' keine Freundin ohne Geld.«
»Hattest du vor eine zu kaufen?«
»Natürlich nicht, aber . is doch so. Ich bin arbeitslos, hab Augenzucken und seit Neuestem wohnt auch noch 'ne überdrehte Trulla aus der Plattenbranche direkt über mir. Die ist reich, laut und nervt wie Sau.«
»Wie sieht sie denn aus?«, unterbricht mich Annabelle.
»Ungefähr so wie die zurechtgefrästen blonden Kleiderständer, die sich immer in diesen Ami-Serien angiften, vorzugsweise in Redaktionen von New Yorker Frauenmagazinen: laut, völlig übertaktet und immer 'ne Handvoll Make-up im Gesicht.«
»Ich spüre eine gewisse Abneigung .«
»Hass wäre wohl eher das
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