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Millionär

Millionär

Titel: Millionär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Jaud
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nicht alle Zeit der Welt.«
    Entschlossen greife ich nach einem von freilaufenden Kindern handgetunkten Bio-Lebkuchen für achttausend Euro, werfe ihn in meinen Korb und lasse den verdutzten Ex-Ikea-Verkäufer vor seiner Kundentafel stehen. Würde mich ja mal interessieren, warum der jetzt hier arbeitet und nicht mehr bei den Möbelschweden. Vielleicht hat er ja Schrauben mitgehen lassen. Bei meinem letzten Regal-Set jedenfalls fehlte eine.
    Ich entsorge den Luxus-Lebkuchen in der Tiefkühltruhe und klettere über sieben Kinderwagen neureicher Innenstadtmütter auf die Straße.
    Vor meinem Einkauf bei Plus checke ich vorsichtshalber meine Barbestände. Sie gehen mal wieder gegen Null. Ganze € 4,57 bleiben fürs Abendessen. Von wegen »Prima Leben Und Sparen«. Noch am Eingang zettele ich eine Diskussion über kleine Preise an, dann kaufe ich eine Buchstabensuppe und eine Tiefkühl-Paella für € 2,49 mit jetzt angeblich noch mehr Garnelen. Natürlich erwähnen sie auf der Packung nirgendwo, wie viele Garnelen vorher drin waren. Was, wenn's nur eine war? Dann wären ja schon zwei Garnelen »noch mehr Garnelen!« Ich nehme die Tüte trotzdem mit und dazu noch eine große Packung Pringles in meiner Lieblingsgeschmacksrichtung. Ein bisschen Luxus muss auch mal sein. Nachdem ich ausgerechnet habe, dass alles zusammen € 4,69 kostet, aber ich ja nur € 4,57 habe, kippe ich den Inhalt einer vollen Flasche Gerolsteiner in eine Tonne Waschmittel und stelle die leere Flasche zu meinen Einkäufen mit aufs Band. Vielen Dank nochmal an Rot-Grün für den bekloppten Pfandwahnsinn. Ohne Jürgen Trittin hätte ich glatt ohne Essen ins Bett gehen müssen. Wie immer wünscht die Kassiererin den beiden Kunden vor mir einen schönen Abend, nur mir nicht. Das ist nicht nur im Plus so, das ist überall so. Ich hab keinen blassen Schimmer was der Grund dafür ist, ich hab alles probiert: Ich hab gelächelt, ich hab gescherzt, ich habe sogar von mir aus einen schönen Tag gewünscht. Noch nie kam eine Antwort. Als wäre ich Luft.
    Gespannt packe ich die Pringles in meine Jackentasche und beobachte mit großen Ohren, wie der nachfolgende Kunde sein Wechselgeld bekommt.
    »Und 2,34 zurück. Schönen Abend noch.« Unfassbar. »Ihnen auch!«, rufe ich leicht verbissen zur Kasse und mache mich auf den Heimweg.
    DER KLEINSTE PUB DER WELT
    Was aus mir geworden ist, seit ich vor zwei Jahren aus dem T-Punkt geflogen bin? Nichts natürlich. Mein teures City-Apartment habe ich eingetauscht gegen eine balkonlose 49-qm-Wohnung in Köln-Sülz. Zweiter Stock in einem faden Mehrfamilienhaus mit weiß gekachelter Fassade. Das Treppenhaus riecht entweder nach deutschem Mittagessen oder Putzmittel und die Flurbeleuchtung schaltet sich immer genau dann ab, wenn die Wahrscheinlichkeit am größten ist, dass ich mit zwei Einkaufstüten auf die Fresse fliege. Nur ein einziger Schraubendreh meines zwirbelbärtigen Vermieters wäre nötig um den Lichttakt zu erhöhen, aber was juckt ihn das schon, der feine Herr lässt ja lieber das Dachgeschoss zu einer Luxuswohnung ausbauen. Monatelang wurde ich täglich um sieben Uhr von einer deutschen Hochleistungsflex geweckt, zu einer Uhrzeit also, von der ich bis vor kurzem nicht mal wusste, dass es sie gibt. Anfangs hab ich die Bauarbeiter noch nett gefragt, ob man die lauten Sachen nicht auch ein paar Stunden später machen könne. Das Ergebnis war stumpfes Gelächter - man baue schließlich nicht von leise nach laut, sondern von unten nach oben. Danach hab ich alles versucht: die Sicherungen rausgedreht und die Werkzeuge vertauscht gegen welche aus Schaumstoff, die ich im Karnevalsladen neben der Jägerklause gekauft habe. Hätte mich fast 'ne Strafanzeige gekostet. Die Hoffnung auf baldige Ruhe kam mit den Parkettverlegern. Am letzten Freitag war das und es wurde auch echt Zeit. Noch ein einziges Hämmern von oben, ein winziges, noch so schüchternes Hüsteln eines tschechischen Trockenbauers und ich wäre als amoklaufender Ego-Shooter durchs heute-journal gerannt. Wenigstens hätte Claus Kleber dann nicht mit schiefem Kopf sagen können »Er war ein ganz normaler Kerl«, sondern »Seine
    Nachbarn, Freunde und auch die Handwerker haben es immer gewusst .«
    Ich schiebe mich und mein Einkäufchen die fünf handwerkerfreien Treppen hinauf bis zu meiner Wohnung und - natürlich: In genau der Sekunde, in der ich den Schlüssel einstecken will, geht das Licht aus. Ich atme tief ein, drücke ein zweites Mal auf den

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