Millionär
gemustert.
»Du hast sie nicht mehr alle!«
»Glaub mir: ich sorge dafür, dass der Typ fliegt. Ich müsste halt nur vorher diskret das Geld einsammeln von den Mitarbeitern.«
»Du willst es wirklich wissen, oder?«
»Glaub schon.«
»Okay. Mich kostet es nichts und diesen Spaß ist es mir wert. Ich bin Hagen übrigens.«
»Simon Peters.«
»Morgen um zwölf, RTL-Tiefgarage unterm alten Haupthaus, Stellplatz eins drei sieben.«
Wir schütteln Hände, dann verschwindet Hagen mitsamt Pappteller in der Menge. Dann suche ich Phil und wir betrinken uns.
Vollgepumpt mit Kölsch und Cocktails wanke ich gegen drei Uhr die Stufen zu meiner Wohnung nach oben und höre schon lange vor meiner Wohnung das typische Tok Tok von Johannas Spielkonsole. »Advantage Back Team«, tönt es mit amerikanischem Akzent von oben. »Wenigstens nochnichbesser gewordn ...«, lalle ich mir selbst zu und stochere ungelenk meinen Schlüssel ins Schloss. Erst als ich mich aus meiner Jacke schäle und mein Handy auf den Boden fällt, entdecke ich, dass ich gleich drei Kurzmitteilungen bekommen habe. Erschrocken drücke ich auf meinem Handy herum und betrachte einäugig schwankend den Text der ersten: » Kommst du noch?«
»Scheiße! Die Annabelle war ja hier!«
Ich hätte wenigstens absagen müssen.
» Advantage Back Team!«
Die zweite mit der Versendezeit 23:02 Uhr lautet:
» Melde dich doch mal, wir sind noch im DeLite.«
Ich schlucke und lese die letzte Nachricht, verschickt um kurz vor Mitternacht.
»Okay. Ich hab's kapiert. Schönes Leben noch.«
Beeindruckt und traurig zugleich stecke ich das Handy zurück in meine Jackentasche. Leider war es der Ärmel und nicht die Tasche und das Telefon fällt auf den Boden.
»Schlecht! Ohhhh ... so schlecht!«, schimpft es von oben.
Ich hatte vier Bier und drei Mai Thai. Mit ein bisschen Glück habe ich das alles morgen wieder vergessen .
3,2,1 ... keins!
Mit beträchtlichen Kopfschmerzen aber voller Tatendrang drücke ich die Tür zu Shahins WebWorld auf. Dieser klebt wie immer hinter seinem Tresen und blättert apathisch in einem Buch mit einem Fisch drauf.
»Na, alter Pfeif-Adair?«, grinse ich, »immer noch kein Millionär?«
»Simon!«
Shahin springt auf und umarmt mich wie einen tot geglaubten Sohn.
»Simon! Ist das schön, dich zu sehen.«
»Is ja gut. Was ist denn passiert?«
Mir gelingt es, mich einigermaßen taktvoll aus der Umarmung zu lösen.
»Ach ... nichts. Das ist es ja!«
Ich bekomme einen Tee in einer winzigen Glastasse und wir setzen uns an einen schmierigen Plastiktisch zwischen Rechner 3 und 5. So niedergeschlagen habe ich Shahin noch nie gesehen.
»Ich war so fertig nach dem Seminar. Erst war ich so motiviert, aber irgendwie war dann am Abend nix mehr da. Wie ein Huhn hab ich mich gefühlt.«
»Ging mir ganz genauso«, lache ich und nehme einen Schluck Tee. »Dafür hatte ich gestern noch DIE Idee!«
Shahins Miene hellt sich auf. »Super. Wir machen halbehalbe, okay?«
Ich stutze.
»Du hast doch die Idee noch gar nicht gehört!«
»Stimmt. Zucker?« »Nein, danke.«
»Weißt du, Simon, ich muss irgendwas tun nach diesem Seminar. Ich kann hier einfach nicht mehr sitzen und meine Pfeife rauchen. Was ist denn jetzt deine Idee?«
»Ganz einfach, Shahin. Wir versteigern Beschwerden!«
»Versteh ich nicht.«
»Wir machen so was wie ein eBay für Genervte!«
»Verstehe ich immer noch nicht. Keks?«
»Nein!«
»Ist sehr lecker der Keks. Mit Orange drinnen.«
»Trotzdem nicht. Pass auf. Ich war gestern Abend auf so einer Vernissage, da liefen nur Leute mit Kohle rum. Du glaubst ja gar nicht, was da für ein Potenzial ist. Über alles Mögliche würden die sich gerne beschweren, können aber nicht.«
»Was denn zum Beispiel?«
»Die RTL-Kantine ist angeblich so mies, dass die Mitarbeiter Geld bezahlen würden, wenn der Koch wechselt! Und dann waren da noch zwei Industriellentöchter, die Angst haben, ihren Nachbarn zu bitten, seine Dogge nicht vor ihre Tür scheißen zu lassen.«
»Warum? Die müssen doch da nur hingehen und .«
»Genau das können sie halt nicht! WEIL der Nachbar nämlich der Regierungspräsident ist von NRW. Verstehste jetzt? Es GEHÖRT sich nicht. Die Doggenkacke stört sie natürlich trotzdem.«
»Okay. Das verstehe ich schon, aber mit was genau machst du Geld dabei?«
»Mit dem, was die Adler trotz ihrer Kohle nicht machen können. Die Adler wollen cool dastehen und nichts zu tun haben mit irgendwelchen negativen Sachen.
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