Millionär
man auch schaut. Von Ekel keine Spur. Und ich sitze vor meinem köstlichen Lammgericht und versteh die Welt nicht mehr.
»Schmeckt's nicht?«, fragt mich einer der Netzwerk-Tonis, »du guckst so .«
»Doch! Doch, es schmeckt sogar ziemlich gut.«
»Hätte mich auch gewundert«, schmatzt es mir entgegen, »das ist manchmal so lecker hier, dass sich manche sogar was zum Einfrieren mit nach Hause nehmen.«
Hektisch tupfe ich mir den Mund ab und stehe auf. Bis jetzt kann man sich über diese Kantine wirklich nicht beklagen: der sichere Tod eines Beschwer-Adairs. Ich nehme mein Tablett und erhebe mich.
»Ich . äh . bin trotzdem nicht so der Lamm-Typ. Ich glaub ich probiere mal das Hühnchen. Schönen Tag noch im Keller!«
»Auch so!«
Missmutig stelle ich das Tablett in den Rückgabewagen und reihe mich ein zweites Mal in die Essensausgabe ein. Ich bestelle das andalusische Hühnchen, obwohl ich bereits ahne, dass es schmecken wird. Wie das schon riecht! Wie der Tomatenreis schon so locker auf den Teller fällt! Dieses Mal nehme ich einen Tisch in unmittelbarer Nähe von Hagen, der immer noch alleine isst. Hat der keine Kollegen? Im Vorbeigehen sehe ich, dass auch er sich iberisches Flattertier auf seinen Teller hat legen lassen. Ich setze mich und verstreiche mit fahrigen Bewegungen die Knoblauch-Oliven-Paprikasauce auf dem Huhn. Dann schneide ich ein Stück ab und stecke es mir in den Mund. Ich könnte ausrasten. Das Scheiß-Ding schmeckt auch. Wütend knalle ich das Besteck aufs Tablett.
»Maaaaaaaaaannnnn! Das gibt's doch nicht!«
»Alles in Ordnung?«
Ich schaue auf und sehe, dass mich ein junger Mann aus der RTL-Mittagsschiene mustert. Es ist Oliver Geissen. Ohne Asi-Publikum hätte ich ihn fast nicht erkannt.
»Wat is denn?«
»Das gibt's doch nicht, dass hier alles schmeckt!«, platzt es aus mir heraus.
Geissen schaut, als hätte ich sie nicht mehr alle. Ich deute auf seinen Teller.
»Was ist mit Ihrem Fisch? Ist der auch gut?«
»Ja, super lecker!«
Ich schlage auf den Tisch, dass es nur so scheppert und wahrscheinlich werde ich auch laut.
»Das Lamm! Das Huhn! Der Fisch! Das kann doch unmöglich alles schmecken!«
»Also, um ehrlich zu sein ...«
»Ich will's nicht hören!«
Geissen bleibt ruhig. All die tausend Stunden als Fernseh-Streetworker haben ihn vermutlich abgestumpft.
»Am Ende gibt's hier sogar noch 'ne erstklassige Mousse au Chocolat!«
»Die ist das Allerbeste. Ich nehm mir sogar immer noch eine extra mit für abends.«
Ich sacke in meinem Stuhl zusammen.
»Finden denn alle die Kantine so gut?«, stöhne ich und Geissen nickt.
»Bis auf den Hagen halt, der meckert ständig am Essen rum, deswegen sitzt er auch alleine.«
»Hagen Burgmeister?«
»Genau, der«, grinst Geissen, »Spitzname >Mama ihm schmeckt's nicht<«.
Wäre ich eine Comicfigur, dann würde jetzt Rauch aus meinen Ohren schießen. Aber auch so nimmt meine Körperspannung beachtlich zu und ich schnelle wutentbrannt aus meinem Stuhl.
»Ich setz mich mal zu dem armen Kerl. Schöne Sendung noch!«
»Ich hab keine Sendung. Ich bin hier nur essen!«
Trotz gegenteiliger Anweisung scheint Hagen sich zu freuen, dass sich endlich mal jemand zu ihm setzt.
»Und? Schon was gesammelt?«, erkundigt er sich schmunzelnd.
»Sag mal, was erzählst du mir denn bitte für einen Scheiß mit eurer Kantine?«, donnere ich gar nicht schmunzelnd los.
»Psssst, nicht so laut!«
»Ja nix >Pssssst<. Auftrag abgeblasen. Aus die Maus!«
»Aber warum denn?«
»Weil eure Scheiß-Kantine einsame Spitze ist! Haste das Huhn mal probiert?«
»Ja, leider. Ausgetrocknet und zäh wie Gummi. Und dann die lauwarme Packungssauce .«
»Tut mir leid, aber das Huhn war toll. Den anderen schmeckt's ja auch! Der Oliver Geissen zum Beispiel, der nimmt sich sogar eine Extra-Portion Mousse au Chocolat mit nach Hause!«
»Das macht der? Hat der keine Küche?«
»Das ist doch egal!«, poltere ich weiter. »Das Problem ist: Es schmeckt allen! Hörst du? Allen! Und ich kann ja wohl kaum Geld einsammeln, um den Koch zu bestechen, dass er bleibt, oder?«
»Also von mir würdest du keinen Cent bekommen!«
Trotzig knöpfe ich meine Jacke zu, schlage den Kragen hoch und nehme mein Tablett vom Nachbartisch. Wenn er's nicht kapieren will, dann will er's nicht kapieren.
»Das wäre mein erster richtiger Auftrag gewesen und ich gerate ausgerechnet an einen geschmacksgestörten Kauz wie dich.«
Hagen ist's offenbar selbst ein bisschen peinlich.
»Du
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