sowieso ab.«
Shahin hält kurz inne.
»Stimmt. Du bist echt clever.«
Wir klicken uns durch eine Unzahl weiterer Aufträge, dazwischen immer wieder üble Beschimpfungen, wie wir es überhaupt wagen könnten, so eine Seite ins Netz zu stellen. Ungerührt scrolle ich weiter.
»Halt«, unterbricht mich Shahin, »schau mal, das hier sieht mir nach einem richtigen Auftrag aus!«
»Wo?«
»Direkt unter dem Fluglärm-Typen aus Neu-Isenburg.« Gierig lesen wir die Mail.
20.11.06 18:43 whatsyourproblem.de 3,2,1 ... keins! -
Deutschlands Diskreter Online-Problemlöser
Pseudonym: Global Player
Kontakt:
[email protected] +49 171 30 30 30 Problem lösen bis spätestens: Ende November Erfolgshonorar: € 5000
Anhang: IMG6984.jpg
Hi,
klasse Idee mit der Problemseite! Ich bin Schauspieler und werde seit ein paar Wochen von dieser echt schrecklichen Frau verfolgt. Den ersten Kontakt mit ihr hatte ich bei einem Spielfilmdreh, da habe ich einen Polizisten gespielt. Irgendwie hat die sich in meine Uniform verknallt, glaube ich. Seitdem steht die nämlich jeden Tag um halb zehn mit einem Plastikbrautstrauß vor meiner Wohnung und behauptet, heute sei unser Standesamttermin. Sie ist jedenfalls felsenfest davon überzeugt, dass ich ihr einen Antrag gemacht habe und ruft dauernd »Schatz« und »Wir ziehen das jetzt durch mit der Hochzeit«. Im Ernst: So viel saufen kann ich gar nicht, dass ich so einem biederen Bücherwurm die Ehe verspreche, schaut euch mal das Foto an! Dieses neue Stalking-Gesetz ist irgendwie noch nicht durch und mit der Polizei kann ich ihr auch nicht drohen, weil sie ja denkt, ich wäre Polizist. Wäre mir echt recht, wenn ihr das elegant und ohne größeres Blutvergießen lösen könntet. Ihr kriegt mich den ganzen Abend über Handy. Treffen können wir uns auch. Danke schon mal jetzt. Das besagte Foto habe ich angehängt.
Grüße CMH
KLEINGEDRUCKTES
Ich habe die Geschäftsbedingungen gelesen und bin mit ihnen einverstanden. Bei Auftragsannahme von whats-yourproblem.de zahle ich 10% des Erfolgshonorars an, die Restsumme wird im Erfolgsfall fällig. Im Gegenzug verpflichtet sich whatsyourproblem.de, die Anonymität des Auftraggebers zu wahren.
Fragend schaut Shahin mich an. »CMH?«
»Ja, keine Ahnung. Carl-Maria ... wie heißt der noch: Brandauer?«
»H, Simon. Nicht B! Aber ist auch egal. Wichtig sind die 5000 Euro.«
»Stimmt. Lass doch mal das Bild von der Frau anschauen.«
Fast ein wenig ängstlich klicke ich auf den Anhang. Es öffnet sich ein schokoladentafelgroßes Foto, auf dem eine strenge, ungeschminkte Frau mit säuberlich gekämmten langen Haaren und Buchhalterbrille zu sehen ist. In der Hand hält sie einen offenbar schon mehrfach benutzten Brautstrauß, vermutlich aus Kunststoff. Shahin findet als Erster seine Sprache wieder:
»Meine Güte! Die Frau ist ja schrecklich. Und die verfolgt ihn?«
Nickend ziehe ich mein Handy aus der Tasche.
»Was hast du vor, Bichareh?«
»Ich ruf die arme Sau mal an.«
annrike van seawood-winter
Unsere Taktik ist recht simpel: Wir müssen einfach noch bekloppter sein als die Bekloppte selbst. Nach einer erstaunlich ruhigen Nacht stehe ich nun in den »Stadtwald-Höfen«, dem orange-grauen Wohnpark eines Kölner Immobilienriesen. Es ist einer dieser Wohnparks, bei denen man mit jedem Schritt, den man hineinläuft, ein wenig mehr von dem Gefühl verliert, dass man etwas Besonderes ist. Trotz der sicherlich gut gemeinten Farbtupfer und dem einen oder anderen Quotenstrauch erinnert das eng bebaute Wohlstandsghetto eher an einen Gefängnishof als an ein kuscheliges Eigenheim. Ich befürchte sogar, dass die Breite der einzelnen Wohnwaben nicht mal ausreicht, um quer in ein Baguette zu beißen. Nervös blicke ich mich um, meine halbe Stoffgiraffe fest in der Hand. Sperlingweg 14a. Die Adresse der Bekloppten war nicht besonders schwer herauszufinden - sie prangte auf jedem der mittlerweile 34 Liebesbriefe, den Annrike van Seawood-Winter dem bemitleidenswerten Schauspieler zugeschickt hat. Mein Handy vibriert. Eine Kurzmitteilung von einer der ratiopharm-Schwestern: Hi simon. Keine doggenscheiße mehr heute morgen. Sind 500 euro okay? Gruß, svea.
Lächelnd stecke ich das Handy weg.
Yes!
Doch dann sehe ich sie. Mit gehetztem Blick hastet der Schrecken unseres Kunden in einem verwitterten Hochzeitskostüm aus dem Apartmentblock. Die Dame sieht in Natura noch viel furchterregender aus! Vermutlich um mir selbst Mut zu machen, hole ich tief Luft und