Millionär
haust jetzt ab, oder?«
»Exakt. Ich werde jetzt zurück ins Büro gehen und schauen, wie weit unsere Webseite ist.«
»Was machst du denn für eine Seite?«
»So 'ne Art Beschwerde-Ebay. Mach's gut, Hagen und weiterhin guten Appetit!«
»Warte mal«, beschwichtigt mich Hagen und bedeutet mir, mich wieder hinzusetzen. »Was machst du da genau?«
Ein wenig widerwillig bleibe ich neben ihm stehen mit meinem Tablett.
»'Ne Seite für Leute wie dich. Leute, denen nix schmeckt. VIPs, Reiche, Promis, wie immer du es nennen magst. Leute, die irgendwas nervt und die sich nicht beschweren können.«
»Weißt du was? Da könnten wir was für Explo draus machen, uns fehlen sowieso noch anderthalb Minuten für heute Abend. Dann habt ihr 'ne gute Promo und wir sind quitt.«
Ich stelle mein Tablett ab. Das kommt in der Tat ein klein wenig überraschend.
»Für HEUTE Abend?«
»Ja klar! Du stehst in der Kantine des schnellsten Privatsenders der Welt!«
»Und . das kannst DU entscheiden?«
»Ja glaubst du, nur weil mir nix schmeckt, bin ich unfähig?«
Ich versuche kurz zu schauen, als hielte ich ihn für fähig. Dann sage ich: »Okay. Machen wir den Beitrag. Aber nur wenn mein Gesicht ausgepixelt wird. Unsere Seite funktioniert nur mit Diskretion.«
Jovial legt Hagen seinen Arm um meine Schulter.
»Wenn du es willst, pixeln wir sogar deine Füße aus! Aber jetzt trinken wir erst mal einen Kaffee. Der schmeckt zwar wie Katzenpisse, aber dabei können wir ja den Dreh besprechen.«
Nach einem ziemlich leckeren Latte werde ich mit einer Redakteurin und einem kleinen Kamerateam ein zweites Mal vor die Villa des Regierungspräsidenten gekarrt, wo ich noch einmal so tun muss, als würde ich die Hundekacke in einen Umschlag packen. Dann werden Passanten befragt, was sie von so einer Seite halten und natürlich sagen die einen, man solle mich wegsperren und die anderen, dass das die Geschäftsidee des Jahres ist und wie die Seite nochmal heißt. Dann muss ich mich noch filmen lassen, wie ich den Umschlag bei der Post aufgebe, weil das besser für die Story und fürs Bild sei, sagt mir die Redakteurin. Mein naiver Protest, dass ich das aber nicht so gemacht hätte, wird mit einem Lachen und dem Argument quittiert, dass das schon immer egal gewesen sei, wie was wirklich war.
Starr vor Spannung verfolgen Shahin und ich am Abend den Beitrag. Immer wieder zeigt RTL die Bilder von mir und der Doggenscheiße, ich selbst bin zwar wie vereinbart unkenntlich gemacht, werde aber als Robin Hood der Genervten verkauft.
»Ha! Robin Hood der Genervten! Das ist besser als Beschwer-Adair«, lacht Shahin.
»Sind halt Profis«, nuschle ich, wobei ich meine Augen keine Sekunde vom Fernseher nehme. Über die Machart des Beitrags kann man sich streiten. Tatsache ist, dass er wie eine Bombe einschlägt. Insgesamt dreimal wird www.whatsyourproblem.de eingeblendet. Zum ersten Mal seit dem Sturz des letzten Schahs geht Shahin die Wasserpfeife aus. Er wird sie so schnell auch nicht wieder anzünden können, denn dieser Augenblick - er ist
der Startschuss für eine Erfolgsgeschichte, wie ich sie nie im Leben für möglich gehalten hätte.
global player
Wir können die Anfragen auf unserer Seite gar nicht so schnell lesen, wie sie eintreffen. Nach dem großen Geld sieht es zunächst allerdings nicht aus: So fühlt sich eine ältere Dame mit dem Pseudonym »Sonnenschein 67« durch das ewige Stühlerücken auf der Terrasse eines Cafes unter ihrem Schlafzimmerfenster gestört und bietet fünfzig Euro, wenn das aufhört. Ein Erdkunde-Lehrer aus Erlangen ist genervt, weil ein DHL-Fahrzeug jeden Morgen seine Einfahrt zuparkt und er oft zu spät zur Schule kommt. Er bietet lächerliche zehn Euro, wenn wir dafür sorgen, dass die Einfahrt frei bleibt.
»Wie wäre es denn mit abschleppen lassen?«, rege ich mich auf, woraufhin Shahin mich nur stumm anschaut. Wir lesen weiter und kommen schließlich zu interessanteren Angeboten. Ein offenbar wohlhabender Düsseldorfer Geschäftsmann bietet 3000 Euro, wenn der 1. FC Köln von der 2. Bundesliga in die Regionalliga absteigt. Ich find's amüsant und klicke den Button Auftrag annehmen, so dass automatisch eine E-Mail an den Auftraggeber gesendet wird.
Shahin schaut mich entsetzt an.
»Bist du größenwahnsinnig? Das kannst du doch gar nicht beeinflussen, ob die absteigen. Ich meine, was willst du denn da machen?«
»Ja nix«, grinse ich.
»Wie, nix?«
»Wir reden hier vom 1. FC Köln, Shahin. Die steigen
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