Millionencoup im Stadion
Fußballs der niederländischen Nationalmannschaft in den
1970er-Jahren.« Mit einem abschätzenden Blick auf Tim sagte Teiler schließlich:
»Na ja, das war ja wohl lange vor deiner Zeit.«
»Und Sie haben dann die Shirts
gesammelt?«, fuhr Tim weiter fort. Der Mann nickte. »Ich, aber auch schon mein
Vater.«
»Und warum verkaufen Sie sie
jetzt?«, fragte Tim. »Solch eine Sammlung ist doch einzigartig!«
»Tja, leider bin ich in Geldnot
geraten«, erklärte Teiler. Ich muss meine bettlägerige Mutter pflegen, da benötige
ich jeden Cent.«
»Aha, ich verstehe.« Es
entstand eine kleine Pause, in der Tim überlegte. Dann fragte er: »Haben Sie
auch ein Trikot der Nationalmannschaft von 1954? Mit der Unterschrift von Fritz
Walter?«, fragte Tim.
Teiler stutzte. »Wo denkst du hin?
Wenn ich ein Trikot mit der Unterschrift von Deutschlands Nachkriegshelden
Fritz Walter besitzen würde, würde ich es niemals, hörst du, niemals
hergegeben.«
»Können Sie mir bitte erklären,
was am ›Wunder von Bern‹ eigentlich so wunderbar war?«
»Für Deutschland war die
Weltmeisterschaft 1954 in der Schweiz außerordentlich wichtig. Erstens durfte
die deutsche Mannschaft erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg wieder an einer WM
teilnehmen. Zweitens triumphierte das Team von Bundestrainer Sepp Herberger im
Turnier durch einen sensationellen 3:2-Sieg über Ungarn — und gewann damit zum
ersten Mal eine Weltmeisterschaft. Die Ungarn waren damals die weltweit
überragende Mannschaft. Vielleicht kennst du die legendäre Radio-Übertragung
von Herbert Zimmermann?«
»Klar, wer kennt seinen
leidenschaftlichen und hochemotionalen Kommentar nicht?« Tim versuche den
Sprecher mit seinem berühmten Satz nachzuahmen: »Aus! Aus! Aus! Das Spiel ist
aus! Deutschland ist Weltmeister!«
Teiler musste laut lachen. »Na,
an dir ist ja ein echter Fußballreporter verloren gegangen. Aber du hattest
mich ja nach dem ›Wunder‹ gefragt: Kaum ein Team wurde nach einem Titelgewinn
so begeistert empfangen wie die deutsche Nationalmannschaft von 1954. Die
Menschen in Deutschland fühlten sich das erste Mal nach dem Krieg wieder
vereint — ohne sich dafür schämen zu müssen. Es wehte ein frischer Wind durchs
Land, und alle waren stolz auf
ihre Jungs, und zwar deshalb, weil sich ein Spieler für den anderen eingesetzt
hatte. Die deutsche Mannschaft konnte nur gemeinsam mit einer starken Leistung
gewinnen...«
Es klingelte dreimal kurz
hintereinander an der Tür.
»Das wird ein Freund sein«,
sagte der Kahlkopf. »Er kann dir auch jederzeit coole Sportklamotten zu echt
fairen Preisen besorgen.«
Dann ging alles blitzschnell.
Während Teiler zur Tür ging, um seinem Besuch die Tür zu öffnen, riss Tim den
Vorhang des Küchenfensters auf. Als Tim Stevens Stimme in der Türsprechanlage
erkannte, fackelte er nicht lange. Er warf den Karton, der auf dem Küchentisch
stand, durchs geöffnete Fenster. Dann hechtete er, ohne einen Gruß zu
hinterlassen, an dem verwirrten Teiler vorbei.
»Ich überlege es mir noch. Bin
momentan selbst etwas knapp bei Kasse«, rief er ihm im Vorbeihuschen zu.
»Außerdem wartet meine Omi einen Stock höher ja schon die ganze Zeit auf mich!«
Tim ließ die Tür hinter sich
ins Schloss fallen und lief so schnell er konnte die Treppen ins nächste
Stockwerk hinauf. Dann verharrte er regungslos. Er lauschte und vernahm, wie
Teiler seinem Kumpel Steven am Eingang begrüßte. Dann schloss sich die Tür. Das
war der Startschuss für Tim. Er lief, immer drei Stufen auf einmal nehmend, die
drei Stockwerke hinab und auf die Straße hinaus. Er würde maximal einen
Vorsprung von zwanzig Sekunden haben. Und Steven war selbst ein hervorragender
Sportler.
Er sah sich um. Wo war Karl?
16. Die
Folgen des Besuchs
Oben in der Wohnung rannte
Steven Kraut unterdessen ans Küchenfenster. Aber wo er auch hinblickte, er sah
weder etwas vom Karton noch von dem mysteriösen Besucher.
»Ein Typ mit dunklen Haaren war
hier? Das kann eigentlich nur dieser Peter Carsten sein!«, schrie Steven.
»Nee, der hieß irgendwie
anders. Hatte so’n altertümlichen Heiligennamen«, antwortete Teiler etwas
ruhiger.
»Egal, den holen wir uns!«
Tim nahm die Beine in die Hand.
Er durfte unter keinen Umständen von Steven gesehen werden, denn Kraut junior
und er kannten sich.
Tim entschied sich, in den
angrenzenden Stadtpark zu flüchten. Zwischen all den Bäumen und Büschen würde
er bestimmt für einige Minuten untertauchen können, bis
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