Millionenkochen: Ein Mira-Valensky-Krimi
etwas essen“, bitte ich sie.
„Ich will jetzt nicht weg. Und ich muss Jana bewachen. Aber ich habe Idee: Ich werde den Produzent aushorchen.“
„Vergiss es, an den kommst du nicht heran. Ist mir auch nicht gelungen.“
„Wer redet von Offiziellem? Ich werde undercover arbeiten.“
Manchmal geht sie mir mit ihrem Detektivgetue ziemlich auf den Geist. „Ach ja?“, spotte ich.
Sie sieht mich mitleidig an: „Du bist müde. Du sollst Oskar anrufen und einen schönen Abend haben. Du hast mir heute viel geholfen. Staatsbürgerschaft hin oder her, ich bin keine Idiotin: So viel wie gebürtige Österreicherin zähle ich nicht.“
„Der Beamte war doch ganz okay.“
„Weißt du, was ich mich gefragt habe: Hat er was gegen Moslemmänner und war er deswegen so großzügig? Ist er Ausländerfeind und nimmt bloß Mädels nicht ernst? Oder ist er gegen Radikale? Man beginnt zu spinnen.“
„Ich glaube, er hat Jana ganz gut verstanden, aber er muss das Gesetz vertreten.“
Vesna seufzt. „Glaube ich eigentlich auch.“
„Wie willst du an den Produzenten herankommen? Willst du dich bei einer Gameshow bewerben?“
„Da habe ich nicht mit ihm persönlich zu tun, wenn ich dich verstanden habe. Nein. Viel besser. Du hast gesagt, er ist Kulturmensch. Ich werde mich ihm als Kulturfreundin nähern. Wie genau, das muss ich erst überlegen. Aber mir fällt was ein. Und jetzt ruf deinen Oskar an.“
Ich hole das Mobiltelefon aus der Tasche – und merke, dass sich der idiotische Akku gelockert hat. Das ist in letzter Zeit schon ein paarmal passiert. Es ist Stunden her, dass ich das letzte Mal telefoniert habe. Ich befestige den Akku wieder, Oskar geht sofort ans Telefon. Er ist noch in seiner Kanzlei, er hat sich Sorgen gemacht. Er hat einige Male versucht, mich anzurufen. Natürlich gehen wir essen, gerne. Wie wäre es mit dem großartigen Chinesen, der von der Prager Straße in den ersten Bezirk übersiedelt ist?
Ich habe keine Lust, viel zu erzählen. Oskar versteht das, wir konzentrieren uns auf das Essen. Lammfleisch mit Kümmel und großartige Tofuvariationen, 1000-jährige Enteneier, knusprig gebratener Yellow Fish und Garnelen mit weicher Schale.
Als wir schließlich abwinken und die Wirtin meint, nur noch etwas Pakchoi-Gemüse, kurz im Wok gebraten und scharf, und wir uns überzeugen lassen – diesen Koch wollen wir wirklich nicht verärgern -, meint Oskar: „Ich weiß jetzt, warum mir Bert Seinitz irgendwie bekannt vorgekommen ist.“
„Doch Strafregister?“
Er schüttelt den Kopf. „Er war in den 90er-Jahren Manager bei der staatlichen Düngemittel-Firma Multifertil, einige tausend Mitarbeiter, er hat sich vom chemischen Facharbeiter hinaufgearbeitet, Matura nachgeholt, danach ein Betriebswirtschaftsstudium. Und immer das richtige Parteibuch. Dann kam die Privatisierungwelle und Multifertil wurde vom internationalen Düngemittelkonzern „Zeemann & Grow“ geschluckt. Zuerst hat man versprochen, die Fabriken nach einer Sanierungswelle bestehen zu lassen. Sicher musste da einiges rationalisiert werden. Aber dann sind die Fabriken als unrentabel geschlossen worden, man hat die Produktion nach Osteuropa verlagert. Und zum Schluss hat man das Kompetenzzentrum heim ins Stammhaus nach Maastricht verlagert. Seinitz wurde gekündigt. Ich habe mich umgehört. Er hat nie mehr einen Job gefunden.“
„Als Beruf gibt er Consulter an.“
„Er ist arbeitslos gemeldet.“
„Ein Manager, der arbeitslos wird?“
„Hat es gerade bei den Entstaatlichungen immer wieder gegeben.“
„Aber der muss doch wieder einen Job finden.“
„Im Management?“
„Irgendwo.“
„Sie haben immer wieder gesagt, er ist überqualifiziert. Er hat es sogar als Filialleiter bei einer Schuhkette probiert. Ich hab auch so meine Quellen. Es ist ihm in den letzten Jahren alles andere als gut gegangen, er lebt mehr oder weniger von der Sozialhilfe.“
Das Gemüse duftet herrlich, ich koste, überlege. Ein arbeitsloser Manager. – Einer, den ich bedauern sollte?
Oskar kostet auch. „Nicht alle Manager sind so tough, wie man glaubt. Vielleicht ist er mit der Umstellung nicht fertig geworden. Dazu kommt noch die Scheidung. Seine Frau hat ihn verlassen.“
Ich überlege. „Er könnte einen Sieg bei MillionenKochen wirklich als einzige und letzte Chance verstanden haben.“
Oskar nickt.
Und dann beginne ich zu erzählen. Nur die Sache mit dem Lkw auf der Autobahn lasse ich weg, ist ja auch nicht relevant für den
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