Millionenkochen: Ein Mira-Valensky-Krimi
kümmern.
„Kann ich mir das ansehen?“, frage ich.
Die Assistentin mustert mich. „Ich muss den heutigen Sendeleiter fragen, aber warum nicht? Es ist bloß nicht viel zu sehen. Es ist eigentlich nichts anderes als ein Computerprogramm. Aber man muss immer damit rechnen, dass Leute beim Sender anrufen, statt SMS zu schicken. Und die betreuen wir dann.“
„Sie holen mich?“, frage ich.
„Ich gebe Ihnen Bescheid.“
Die nächste halbe Stunde sind wir Fernsehzuschauer. Lena Sanders geht nur ganz kurz darauf ein, dass Klaus Liebig schon einmal dabei war.
„… und falls Ihnen dieser Mann bekannt vorkommt, dann ist das kein Zufall. Klaus Liebig ist sogar bis Runde 7 gekommen. Er hat gegen die Starköchin Anna-Maria Bischof und gegen Roberto Zacheron gewonnen und ist dann an einer Frage gescheitert, die … nun ja … die einige Zuschauer für nicht ganz fair gehalten haben. ‚Was ist Vesiga‘, haben wir ihn gefragt.“ Lena Sanders wendet sich an Klaus Liebig, der in seiner Kochkleidung rührend jung aussieht. „Sie werden es wohl bis in alle Ewigkeit wissen.“
Klaus Liebig lächelt in die Kamera. „Das kann man wohl sagen. Vesiga ist das Rückenmark des Störs. Und das galt in früheren Zeiten als Spezialität.“
„Tja, Klaus Liebig hat sein Ausscheiden trotz seiner großartigen Leistung sehr schwer genommen.“ Lena Sanders macht eine kleine Kunstpause. „Und wir haben uns gedacht, wir geben ihm eine zweite Chance. Er wird nicht anders behandelt als unsere übrigen Kandidaten. Er muss sich Ihrem Voting stellen. Aber er darf es noch einmal versuchen!“
Heftiges Klatschen aus dem Off. Vielleicht ist es das, was die Sendung immer etwas künstlich wirken lässt: Man sieht kein Publikum, aber es klatscht. Aber das ist ja auch bei Soaps so.
Klaus Liebig erklärt seine Melanzani-Variation, seine Konkurrentin ist eine etwa 50-jährige Sekretärin und nun wird mir klar, wie man natürlich auch manipulieren kann. Die Frau ist übergewichtig, aufgeregt und will ein Schweinsfilet im Teigmantel zubereiten. Etwas, von dem sich seit den 70er-Jahren alle abgegessen haben. Man hat ihm eine der schwächsten Gegnerinnen zugeteilt. Man will, dass er weiterkommt. Warum? Weil man ihm wirklich eine zweite Chance geben will, damit er sein Trauma überwindet? Weil man nicht von ungefähr Angst hat, dass er zu viel weiß und sonst reden könnte? Weil man freundliche Berichterstattung durch das „Magazin“ brauchen kann?
Mein Fotograf hat inzwischen zwei Tabletts Brötchen verdrückt, ich weiß nicht, wo er das hin isst. „Kochen im Fernsehen macht mich immer total hungrig“, entschuldigt er sich.
„Was isst du üblicherweise dabei?“, frage ich, „Kochst du?“
„Ich lass mir eine Pizza bringen. Oder zwei.“
Die Sendungsassistentin kommt und holt mich, als die beiden Kandidaten ihr fertiges Gericht präsentieren. Ich hoffe, dass wenigstens ein paar Zuschauer aus Mitleid für die Sekretärin voten werden. „Fotos darf man keine machen, sagt die Voting-Agentur“, ergänzt sie und sieht Heinz an. „Wollen Sie noch Brötchen?“
„Wenn sie sonst übrig bleiben …“
Ich folge der MillionenKochen-Mitarbeiterin in den oberen Stock, ein Büro mit 20 Quadratmetern, nicht mehr. Drei Leute vor Computern, jede Menge Kabeln auf dem Boden. Eine Frau von höchstens 25, die Männer sind noch jünger, sie scheint die Chefin zu sein. Auf einem Fernseher läuft die Show, Lena Sanders gibt gerade noch einmal die eingeblendeten Nummern durch. Ich schaue auf den Bildschirm der jungen Frau, sie lässt sich nicht ablenken. Vor ihr Diagramme, Balken, die sich verändern. Zahlen, die ständig höher werden.
„Hallo“, sagt sie, ohne wegzusehen. Sie öffnet eine andere Datei, ähnliche Diagramme. „Ich erkläre es Ihnen nachher.“
Fünf Minuten später ist alles vorbei. „Heute haben nicht so viele Leute gevotet. Aber das ist bei Runde 1 normal. Außerdem ist das Wetter schön und die Entscheidung war klar“, sagt sie, sichert einige Dateien und dreht sich dann zu mir um. „Und um Ihrer Frage zuvorzukommen: Manipulieren kann man da nichts. Außer man ignoriert das ganze Ergebnis und erfindet ein neues. Aber da würden wir nicht mitspielen.“
„Sie sind eine eigene Firma, hab ich das richtig verstanden?“, frage ich.
„Ja. Wir organisieren Votings. Nicht nur für TV-Shows, sondern auch für Meinungsumfragen. Sie haben keine Ahnung, was wir vor Wahlen zu tun haben. Da geht es oft auch um Fragen an kleine
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