Millionenkochen: Ein Mira-Valensky-Krimi
Samples, bei denen es schon in ein paar Stunden ein Resultat geben muss, oder auch um eine Umfrage unter Funktionären. Oder: Wir haben einen Betrieb, da können die Mitarbeiter per SMS-Voting eine Woche im Voraus entscheiden, wie der Speiseplan der Kantine aussehen soll.“
Ich sehe auf den Bildschirm. Natürlich hat sich Klaus Liebig für die Fragen entschieden. Er sitzt auf dem Hocker, Licht zwischen Blau- und Orangetönen. Und Lena Sanders’ erste Frage aus dem Off: „Wer oder was wird sautiert? a) Ein Koch, der eine neue Stelle antritt b) Gemüse, das knackig bleiben soll c) Original ungarisches Gulasch d) Fett und Flüssigkeit, um sie miteinander zu verbinden.“
Klaus Liebig lächelt beinahe herablassend: „b) Gemüse, das knackig bleiben soll. Sautieren bedeutet: kurz schwenkend rösten ohne Flüssigkeitsbeigabe, eventuell mit ein wenig Fett.“
„Wow“, sagt Lena Sanders, und das nicht vorhandene Publikum klatscht begeistert.
„Frage zwei“, fährt sie fort: „Welcher berühmte Koch schrieb mit dem Buch ‚Die Neue Küche‘ die Bibel einer neuen Kochrichtung? a) Paul Bocuse b) Werner Matt c) Auguste Escoffier d) Eckart Witzigmann.“
„Ich finde sein Buch zwar ein wenig überschätzt, aber es ist a) Paul Bocuse, er schrieb in den 80er-Jahren das erste Standardwerk der Nouvelle Cuisine.“
Wieder heftiges Klatschen aus dem Off. Okay, aber diese beiden Fragen hätte ich auch gewusst.
„Und die dritte Frage.“ Es folgt eine kleine Kunstpause, dann ein Trommelwirbel und ich ertappe mich dabei, dass ich Klaus Liebig beide Daumen halte. Ist ja doch irgendwie mein Schützling geworden. „Was ist ein Salamander? a) Ein heißer Stein, auf dem gegrillt wird b) Ausdruck für ein schwarz gebratenes Steak c) Das Halstuch der Köche d) Eine offene Grillvorrichtung zum Überbacken.“
Klaus Liebig strahlt auf. Schneller als er rufe ich: „Grillvorrichtung!“ Die Sendeassistentin lächelt. Die junge Computerfachfrau sagt: „Ich hätte auf den heißen Stein getippt. Wäre irgendwie passend. Wie weiß man so etwas?“
In die Abschlussfanfare der Sendung und in den lauten Applaus hinein, während das Schlussbild mit Klaus Liebig, Lena Sanders und der Sekretärin eingeblendet ist, sage ich: „Dafür braucht man nur ganz kurz in einer guten Profiküche gearbeitet zu haben.“
Irgendetwas irritiert mich: Klaus Liebig strahlt nicht, er sieht ernst, beinahe trotzig drein. Da schaut sogar die Sekretärin noch freundlicher.
Vielleicht sind die beiden im Vorhinein aufgenommenen Schlussbilder vertauscht worden und man hat versehentlich das genommen, bei dem die Sekretärin ihren Sieg gespielt hat? Schon will ich fragen, da fällt mir ein, dass ich das ja gar nicht wissen darf.
„Ich bringe Sie dann hinüber zur MillionenKochen-Halle“, sagt die Assistentin, „ein paar Minuten geben wir unseren Akteuren noch, um nach der Show wieder runterzukommen. Dann muss sofort für morgen zusammengeräumt werden.“
Da ist längst zusammengeräumt, sage ich im Geiste und denke mir: Warum tun sie so, als ob das live wäre? Kann man nicht zugeben, dass die ersten 5 Runden aufgezeichnet werden?
„Wie funktioniert das SMS-Voting hier eigentlich?“, frage ich die Computerfachfrau.
„Ganz einfach“, erklärt sie mir. „Für jede mögliche Antwort gibt es eine Nummer. Immer, wenn die Nummer angewählt wird, geht ein Signal in unserer Schaltzentrale ein, diese Signale werden dann durch unser Computerprogramm gebündelt, miteinander verglichen und hochgerechnet. Zur Sicherheit fahren wir bei großen Shows oder Ähnlichem zwei getrennte Rechenkreisläufe und checken dann noch einmal mit einem dritten, ob sie übereinstimmen. Wir könnten übrigens noch viel mehr: Wir wissen, wie viele Votings pro Mobiltelefonbetreiber eingegangen sind, wir kennen die regionale Verteilung der Votings. Aber das brauchen wir gar nicht in diesem Fall. Das ist bei Spielshows interessant, bei denen Regionen gegeneinander antreten.“
Ich bedanke mich und folge der Assistentin. Sieht nicht so aus, als ob hier etwas manipuliert würde.
In der MillionenKochen-Halle sind einige Techniker, Assistenten, Redakteurinnen zu sehen. Wird das Ganze nur für mich inszeniert? Ist es also eine Show exklusiv für meinen Fotografen und mich? Oder bereiten sie die nächste Show, den nächsten Aufzeichnungstag vor? Die Assistentin übergibt mich einer Redakteurin, die sich mir mit „Renate Gernot“ vorstellt. Sie ist in etwa in meinem Alter, hat meine
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