Millionenkochen: Ein Mira-Valensky-Krimi
Kinder einfallen, sind wirklich das Letzte.
Heute Abend wird MillionenKochen mit Klaus Liebig ausgestrahlt, zurück in der ersten Runde. Ich habe mit ihm vereinbart, dass wir uns nach der Show bei Win-Sat treffen. Es muss ja niemand wissen, dass mir klar ist, dass die Sendung bereits aufgezeichnet wurde. Ich werde ganz offiziell mit einem Fotografen vom „Magazin“ dort sein. Ich habe mit der Sendungsleitung vereinbart, dass wir nach der Show einige Bilder in der Kulisse machen dürfen. Die offizielle Version, warum außer dem Team niemand vor oder während der Show mit dabei sein darf: Man möchte die Kandidaten nicht zusätzlich belasten, sie sollen sich voll konzentrieren können. Immerhin seien sie keine Profis. Deswegen gäbe es auch erst ab Runde 6 Saalpublikum. Ich begreife gut, dass Susanne Kraus Lust hatte, darüber zu schreiben. Und damit als Aufdeckungsjournalistin für Furore zu sorgen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass noch kein anderer Journalist von den Aufzeichnungen Wind bekommen hat. Ich habe mit den Medien- und Fernsehjournalisten wenig zu tun, aber so wie ich sie beim Sommerfest des Senders erlebt habe, sind sie nicht eben … kritisch, um es vorsichtig auszudrücken. Kann auch gut sein, dass sich die Besseren unter ihnen nicht um so etwas wie einen Gewinnshowkanal kümmern.
Ich kann mir die Sendung auf einem Monitor in Halle 1 ansehen, hat mir die Sendeleitung versprochen. Ich telefoniere mit Oskar, wir werden unsere Mütter austricksen und uns in meiner Wohnung treffen. Vor zehn am Abend schaffe er es aber nicht, meint er. Sehr gut. Das wäre ein Stress, ein Mann mit fixen Arbeitszeiten, der das Gleiche von seiner Frau erwartet.
Helmut Liebig scheint mit seiner Familie nicht übertrieben glücklich zu sein. Trotzdem ist es für ihn wohl recht bequem, eine Frau daheim zu haben, die sich um alles kümmert, überlege ich. Wer weiß, ob er sie nicht entmutigt hat, nach einer regelmäßigen Arbeit zu suchen. Ich bin überzeugt, dass alles im Leben zurückkommt. Das hat er jetzt davon: eine Frau, die den längst erwachsenen Sohn wie ein Kind hätschelt und mit ihm zu indischen Gesundheitsgurus läuft.
Ich wollte eigentlich mit Gerda zum Sender fahren. Gerda ist eine unserer besten Reportagefotografinnen und seit letztem Jahr beinahe so etwas wie eine Freundin. Aber sie ist im Libanon unterwegs, gemeinsam mit einem unserer freien Außenpolitikkorrespondenten. Um den Kampf der Hisbollah gegen Israel und umgekehrt zu fotografieren. Seit der Sache mit ihrem Mann stürzt sie sich immer wieder in solche Abenteuer. Ich wär zu feige für so etwas. Ich will weder von durchgeknallten Isrealis noch von ebensolchen Hisbollahs erschossen werden. Es ist Heinz, der mir zugeteilt wird. Ein Träumer, der eigentlich lieber Sonnenuntergänge fotografiert. Zumindest witzeln unsere ach so hartgesottenen Fotografen Derartiges. Vielleicht ohnehin besser, wenn sich sein genaues Auge auf die Kamera beschränkt. Wer weiß, was ihm sonst rund um MillionenKochen auffallen würde. Mir ist momentan lieber, keiner stellt Fragen.
Bin ich beim Vertuschen mit dabei? Ich sage mir, dass ich eben die ganze Geschichte will.
Und was, wenn ich den Täter oder die Täterin nicht finde? Das werde ich dann entscheiden.
Den Weg zu den Studios kenne ich inzwischen schon so gut wie auswendig. Seit ich meinem Auto Kühlflüssigkeit eingeflößt habe, benimmt es sich auch ganz brav. Kein Leck, ich habe nachgesehen, der Flüssigkeitsbehälter ist noch immer bis zum Maximum gefüllt. Heute bin ich mehr als rechtzeitig da. Wir werden von einer Assistentin der Sendung in einen kleinen Vorführraum gebeten. Es ist fast wie im Kino. Plasmabildschirm in Extragröße, daneben sieht Oskars gutes Stück mit einer Bildschirmdiagonale von 108 wie ein Spielzeug aus.
Man bietet uns Wein, Wasser, Bier und Brötchen an.
Ich habe Hunger, versuche mich aber zurückzuhalten. Ich hoffe auf ein spätes Nachtmahl mit Oskar in meiner Wohnung – und darauf, dass er in einem der Delikatessenläden einkaufen war. Sonst könnte ich uns Nudeln machen, Spaghetti aglio, olio e peperoncino zum Beispiel, dafür hab ich immer alles daheim. Ich rufe mich zur Ordnung. Ich sollte nicht ständig ans Essen denken. – Vor einer Kochshow? Mein Fotograf hat schon das vierte Brötchen verdrückt, ihm schmeckt es.
Es läuft Werbung. Sollten wir etwas brauchen, dann einfach die Klappe 22 wählen, sagt die Assistentin und geht zur Tür. Sie müsse sich um das SMS-Voting
Weitere Kostenlose Bücher