Millionenkochen: Ein Mira-Valensky-Krimi
Größe und wiegt 20 Kilo mehr als ich.
Von ihr erfahre ich, dass Lena Sanders leider gleich zu einem wichtigen Termin in Wien musste. Und die enttäuschte Verliererin habe die Halle auch schon verlassen. „Aber Sie wollten ohnehin Klaus Liebig, wenn ich das recht verstanden habe. Und natürlich bekommen Sie von uns Szenenfotos aus der Show.“
„Ich hätte gerne Fotos von Klaus Liebig in seiner Garderobe. Und hinter der Kochzeile“, sage ich und füge etwas bösartig hinzu: „Vielleicht mit seinem halb aufgegessenen Gericht, der Melanzani-Variation.“
Die Redakteurin lacht. „Oje, das wird nicht mehr möglich sein, das Essen ist immer schon einige Minuten nach Sendeschluss spurlos verschwunden … Unsere Techniker wissen, was gut ist …“
Wer hätte sich das gedacht.
Sie bringt mich zum Studio. Jetzt leuchtet kein Rotlicht, es ist nicht gespenstisch finster, sondern man hat offenbar eine desillusionierende Arbeitsbeleuchtung aufgedreht. Keine Scheinwerfer, die die Küchenzeile als etwas Besonderes und Zentrales erscheinen lassen, sondern Neonröhren, die alles erbarmungslos gleichmäßig ausleuchten und das Studio als das aussehen lassen, was es ist: Teil einer Industriehalle mit etwas Kulisse und viel Technik rundum.
Klaus Liebig steht vor dem Herd und strahlt. „Haben Sie es gesehen?“
Ich nicke.
„Ich bin allen hier so dankbar“, fährt er fort und ich finde, er sollte nicht übertreiben.
Die nächste halbe Stunde werden Fotos gemacht: Klaus Liebig mit Schneebesen und mit Pfannen, Klaus Liebig, der eine Tomate klein schneidet. Klaus Liebig mit einem großen Küchenmesser, schlägt Heinz, mein Fotograf, vor. Unser Kandidat schüttelt den Kopf. Das wolle er nicht. Nein. Das sei … unpassend, sagt er einigermaßen heftig. Finde ich in diesem Fall auch, dennoch bin ich überrascht über seine Reaktion.
Die Garderobe entpuppt sich als so armseliges Loch, dass ich auf Fotos verzichte. Aber es handelt sich ja auch bloß um eine für Stars für eine Viertelstunde. Oder eine halbe Stunde. Macht nicht viel Unterschied. Außerdem ist die von Lena Sanders auch nicht eben luxuriös. Wir fotografieren Klaus Liebig noch vor der Halle, der Parkplatz ist finster, er steht im Scheinwerferlicht vor dem Eingang. Sehr klein und wehrlos vor dem großen, glatten, nachtdunklen Gebäude.
Danach setzen wir uns in ein Eck in der Kantine von Halle 1. Man hat sich bemüht, die Illusion einer alten Filmkantine heraufzubeschwören. Schwarz-weiß-Poster mit Superstars der Filmgeschichte von Marilyn Monroe über Humphrey Bogart bis hin zu Arnold Schwarzenegger, Bambi und Shrek. Die große Kaffeemaschine hinter der Theke ist im Stil der 50er-Jahre designt, die Tische hat man wohl aus einem alten Kaffeehaus: rund, schwarz, schäbig. In der Ecke steht ein Piano. Nur: Der Boden ist zu neu und aus pflegeleichtem Kunststoff, im Hintergrund laufen belanglose Popsongs, und der Geruch, der aus der Küche dringt, ist der nach Frittierfett, das seit der Stummfilmzeit nicht mehr gewechselt worden ist. Außer unserem ist jetzt am Abend nur ein Tisch besetzt: mit zwei jungen Männern, vor ihnen zwei Dosen mit Red Bull. Ich kann sie nicht zuordnen. Techniker? Schulabsolventen, die als Volontäre endlich Fernsehluft schnuppern wollen? Kandidaten einer der Gameshows, die in der Nacht laufen?
Ich habe mit Klaus Liebig schon eine Menge Konversation über die Sendung und seinen Sieg hinter mir. „Tut mir leid, dass ich vor zwei Tagen zu spät gekommen bin. Ich hatte eine Panne. Ich habe gesehen, Sie waren bei der Show von Helga Schuster im Saalpublikum“, sage ich dann.
„Ich habe auf Sie gewartet, um mich zu bedanken“, sagt Klaus Liebig. „Aber ich dachte mir, Sie haben es wohl doch nicht geschafft, zu kommen.“
Er sieht meinen Fotografen an. Der sitzt etwas abseits von uns und schießt eine Serie von Porträtfotos.
„Brauchst du noch mehr?“, frage ich Heinz.
Er schüttelt den Kopf, eigentlich sei er fertig. Ich habe den Eindruck, dass Klaus Liebig nur unter vier Augen offen reden wird. Und ich habe ihm einige Fragen zu stellen.
Heinz verzieht sich und meint, er warte im Auto. Kein Problem.
„Ich habe mich mit Ihrem Vater getroffen“, gestehe ich. Klaus Liebig ist mir reservierter vorgekommen als sonst, vielleicht ist das der Grund.
„Ich weiß“, sagt er. „Er hat Ihnen sicher erzählt, dass er von MillionenKochen nichts hält, dass er auch nicht glaubt, dass ich da gewinnen kann. Und dass ich mir besser einen gut
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