Millionenkochen: Ein Mira-Valensky-Krimi
soll in Italien zu den ganz großen Köchen gehören. Mal überlegen, vielleicht wäre so ein Treffen ganz witzig. Ist mir entgangen, dass er bei MillionenKochen dabei ist. Aber die meisten Kandidaten überleben die Runde 6 ohnehin nicht. – Gewinnen, verbessere ich mich, gewinnen die Runde 6 nicht. Überlebt haben sie die meisten. Bis auf Susanne Kraus.
Ich sehe auf die Uhr, höchste Zeit, dass wir heimfahren.
„Da ist noch etwas“, sagt Klaus Liebig.
„Und das wäre?“
„Ich weiß nicht, ob ich es erzählen soll …“
Dann lass es, will ich schon sagen.
„Ich … ich war nach der Aufzeichnung der Sendung noch länger da. Ich wollte mit Lena Sanders reden. Ich dachte mir, es ist gut, wenn ich mich mit der Moderatorin gut stelle. Aber sie ist mich sofort angefahren, dass sie mich nicht mehr in der Show haben möchte, sie hätte mich nie wieder genommen, sie hat mir vorgeworfen, dass ich das ‚Magazin‘ auf sie hetze, und gemeint, ich brauche gar nicht glauben, dass ich gewinne. Besser, ich würde freiwillig verschwinden. Und ich hab dann gesagt, wenn das so ist, erzähle ich überall herum, wie sie die Leute belügt. Sie kann gar nicht kochen. Das Einzige, was sie interessiert, sind Geld und Publicity. Dann ist sie wütend davongerannt.“
„Und Sie?“
„Ich war sehr aufgeregt. Ich habe eine Beruhigungstablette genommen und daran gedacht, was ich meiner Mutter versprochen hatte: Zu allen im Sender freundlich sein, auch wenn ich um ein Vielfaches besser bin als sie. Keinen unnötigen Ärger, der mein Weiterkommen behindern könnte. Ich habe gesehen, dass sie ins Studio gegangen ist. Seltsamerweise hat das Rotlicht gebrannt, aber drinnen war es beinahe finster. Ich dachte mir, vielleicht will sie, um sich abzureagieren, irgendetwas durchspielen, irgendwelche Regieeinstellungen proben, sich überlegen, was sie tun muss, um so zu wirken, als könne sie kochen. Ich bin ihr nach, habe sie aber nirgendwo gesehen. Ich bin zur Kochzeile, auf meinen Platz und war schon wieder ganz ruhig. Ich hab mir vorgestellt, wie ich Runde für Runde da stehen und Runde für Runde besser werden und gewinnen werde. Mentales Training. Das ist ganz wichtig. Ich hab rund um mich nichts mehr wahrgenommen. Ich habe auf Lena Sanders ganz vergessen, sie ist ja auch eigentlich unwichtig. Ich muss mir meine eigene Show machen. Und plötzlich: Jemand von hinten, lautlos, ich habe den Schatten auf dem Ceranfeld des Herdes gesehen, jemand hebt die Hand, ich erkenne die Umrisse, es ist Lena Sanders, sie hat ein Messer in der Hand, es war nur eine Instinktbewegung, ich hab mich zur Seite geworfen, das Messer ist auf den Boden gefallen, sie hat wütend geschrien, wie in der Oper, sie ist geflohen, dann war da plötzlich viel Lärm, jemand hat was gerufen, die Lichter sind angegangen, ich bin ihr nach, aber da war noch jemand hinter mir, ich hatte Panik, ich bin durch den Seitengang und dann vor zum Parkplatz und bin davongefahren.“
Klingt wie ein Film, will ich schon sagen. Aber seine Beschreibung ist erstaunlich detailgetreu. Und dass er nicht weiß, dass ich die Person hinter ihm war, klingt auch plausibel.
„Haben Sie mit der Polizei darüber geredet?“, frage ich trocken.
„Nein.“
„Warum nicht?“
„Ich weiß nicht … Ich will gewinnen. Ich passe eben auf, dass ich nie allein im Studio bin. Und wenn ich gewonnen habe, dann erzähle ich alles.“
„Wenn es stimmt, was Sie sagen, dann wollte Lena Sanders Sie erstechen.“
„Und sie hat einen Komplizen. Und sie hat auch Susanne Kraus auf dem Gewissen. Susanne Kraus hat zu viel gefragt. Und sie war nicht klug genug.“
Kann es so gewesen sein? In meinem Kopf spielen Gedanken und Filmfragmente Abfangen. Es war ruhig im Studio, dann das Messer, das zu Boden gefallen ist, die beiden Schatten, die hintereinander her waren, ich, die das Licht angemacht und die Schatten verfolgt hat. Passt alles. Lena Sanders. Eine andere Möglichkeit: Klaus Liebig ist an die Polizeiprotokolle gekommen. Aber selbst wenn: Was hätte er für einen Grund, Lena Sanders derart zu belasten? Weil sie ihm gesagt hat, dass sie ihn nicht noch einmal in der Sendung haben möchte? Wer weiß, ob das stimmt. Er hat nur mir die Geschichte erzählt. Nicht der Polizei. Warum? Weil er gewinnen will. So wie ich die ganze Geschichte, die ganze Wahrheit will. Wahrheit …
„Sie sollten damit zur Polizei gehen“, dränge ich ihn.
Er sieht mich so ernst wie noch nie an, seine Augen sind beinahe schwarz.
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