Millionenkochen: Ein Mira-Valensky-Krimi
sein. Endlich in ihrem Leben zu siegen. Ist das gesund?
Dr. Jonas: Hoffnung zu haben ist gesund. Und wir dürfen nicht vergessen: Wir leben in einer Gesellschaft, die sich sehr stark über den Erfolg nach außen definiert, über das Wahrgenommenwerden. Gefährlich wird es, wenn Menschen ihr ganzes Leben auf den Gewinn in einer Fernsehshow ausrichten. Sie vergessen, dass es um Unterhaltung geht. Und um die Illusion, dass jeder gewinnen kann
.
Magazin: Was raten Sie Menschen, die sich in einer solchen Grenzsituation befinden?
Dr. Jonas: Sie sollen sich überlegen, was sie aus eigenem Antrieb machen können, für sich selbst, und nicht um nach außen hin Erfolg zu haben
.
Magazin: Das klingt sehr theoretisch
.
Dr. Jonas: Es ist nicht einfach, das zu erklären. Es geht darum, dass Menschen zu sich selbst finden und sich nicht nur über die anderen definieren. Wenn gar nichts mehr um dich ist, wenn es niemanden mehr gibt, der dich wahrnimmt, was ist dann mit dir? Zu viele Menschen beantworten die Frage mit: „Nichts, dann ist nichts mehr.“ Ich sage ihnen: „Dann gibt es immer noch dich selbst.“
Magazin: Was halten Sie von der Prophezeiung Andy Warhols, in der Zukunft werde jeder für 15 Minuten weltberühmt sein. Wird sie durch diverse Gameshows, Reality-TV und Ähnliches erfüllt?
Dr. Jonas: Eigentlich wäre das wunderbar demokratisch. Wenn dabei jeder so sein könnte, wie er will. Nur: Es sind Fernsehsender, die vorgeben, wie jemand zu sein hat, um auch nur für ganz kurze Zeit berühmt zu werden. Die Zahl der Menschen, die bereit sind, dafür alles zu tun, steigt. Und das erschreckt mich.“
Der Kasten ist eigentlich zu lang, aber ich will nichts kürzen. Vielleicht ist er bloß mein Feigenblatt für eine ansonsten recht unkritische Geschichte über den Kandidaten Klaus Liebig und seine zweite Chance.
Ich breche zu Roberto Zacheron auf. Wenn er so witzig ist, wie Klaus Liebig sagt, dann wird er vielleicht noch etwas Pfeffer in die Reportage bringen. Und jedenfalls gute Bilder. Der Kandidat und der Starkoch gemeinsam in der Küche, über einen dampfenden Topf gebeugt.
Mein Schützling wartet schon im Lokal. Heinz, der auch heute wieder mein Fotograf ist, hat bereits den Korb mit verschiedenen exklusiven Brötchen halb leer gegessen, er begrüßt mich mit kauenden Backen.
Roberto Zacheron meint in nahezu perfektem Deutsch, er habe nicht viel Zeit, das Mittagsgeschäft gehe bald los, und auch wenn im Sommer viele Leute verreist seien, bei ihnen gehe es immer drunter und drüber.
„Warum machen Sie bei MillionenKochen als Starkoch mit?“, frage ich ihn.
„Weil ich als Kandidat nicht antreten darf“, grinst er. „Mir gefällt das und ich würde gerne drei Millionen gewinnen.“
„Hätten Sie bisher alle Fragen gewusst?“
„Antwort für das ‚Magazin‘: Nein, da sind schon sehr schwierige dabei, ich bin nur ein Koch, kein Wissenschaftler. Ist aber meinen Gästen wohl auch wichtiger. Antwort, nicht zum Schreiben: Ich habe die Show zum ersten Mal gesehen, nachdem mich der Produzent gefragt hat, ob ich gegen Runde-7-Kandidaten antrete. Am Abend koche ich, in der Nacht bei der Wiederholung bin ich entweder noch unterwegs, oder ich schlafe wie ein Baby.“
Ich hätte ihn gerne gefragt, wie er das mit den Aufzeichnungen sieht, aber vielleicht weiß er gar nichts davon, seine Sendungen sind ja live.
„Ich war erst dreimal in MillionenKochen – zweimal habe ich gewonnen, Klaus war der Einzige, gegen den ich verloren habe. Er kocht wirklich gut!“
„Darf ich das schreiben?“
„Deswegen ich habe es gesagt.“
Klaus strahlt, er scheint den Doppelsinn nicht verstanden zu haben.
Wir gehen in die Küche.
Wer glaubt, dass es in Profiküchen erst losgeht, wenn die ersten Gäste kommen, der täuscht sich. Die Ruhe vor dem Sturm gibt es nicht, es ist die Unruhe vor dem Sturm. Alles wird vorbereitet, Saucen und Fonds kochen auf dem Herd, Gemüse wird geschnitten, in der Ecke schälen zwei Männer Kartoffeln. In der Patisserieabteilung unterdrückt der Koch einen Fluch, ich sehe, dass er viel zu dunkle Hippenblätter aus dem Ofen nimmt. Wären wir nicht da, er würde sie wohl dem zerknirschten Jungkoch neben sich um die Ohren schlagen.
Es scheppert und zischt und die Dunstabzugshaube vibriert, singt, saugt gierig alles auf. Roberto Zacheron scheint einige Zentimeter gewachsen zu sein, seit wir die Küche betreten haben. Er sieht sich um, man erkennt, er hat Autorität und Überblick. Im Vorbeigehen
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