Millionenkochen: Ein Mira-Valensky-Krimi
kostet er einen Eintopf, er ist offenbar kein Wichtigtuer, er sagt nichts laut, er flüstert nur einem Koch etwas ins Ohr. Keine Frauen in der Küche, das fällt mir erst auf, nachdem ich Küchendünste und Küchengeräusche mit allen Sinnesorganen in mich aufgenommen habe, für mich ist das aufregender als jedes Konzert, jede Oper. Ich weiß, dass es auf Dauer nichts für mich wäre, aber meine Zeit in der Küche bei Billy im „Apfelbaum“ möchte ich nicht missen. Vielleicht mit Ausnahme der Melone, die durchs Fenster geflogen kam. Hier gibt es keine Fenster, sondern eine Klimaanlage. Und anstatt eines Bords mit den Bons sehe ich in Überkopfhöhe Computerbildschirme an jeder Station.
„Sehr modern“, sage ich zu Roberto Zacheron. „Hat es einen Grund, warum hier keine Frauen arbeiten?“
Er lacht herzlich. „Hatte Grund bei Vorgänger. Er hat gesagt, Frauen in der Küche bringen Unglück. Finde ich gar nicht. Aber es ist schwer, Frauen zu finden für diesen Job.“
„Und Sie suchen?“
„Ich habe immer mit Frauen gearbeitet, ist gut für das Klima. Gibt weniger schmutzige Witze, oder wenn doch, dann solche, die lustiger sind.“
Mein Fotograf weiß inzwischen, was er will. Der sonst so zurückhaltende Heinz hat rote Wangen, Eifer im Blick und bringt zwei Köche gerade dazu, ein Bord über dem Herd so zu verschieben, dass er die Köpfe der Köche von der anderen Seite, durch eine Reihe von aufgehängten Sauteusen und Pfannen hindurch, fotografieren kann. Er wartet gar nicht erst auf mein Kommando, er teilt den Starkoch und Klaus Liebig ein, schickt sie an den Herd, dirigiert. Ich bin überrascht. Ein Mann, der gut ein Italiener sein könnte, zerlegt einen Branzino nach dem anderen. Wolfsbarsch gehört zu meinen Lieblingsfischen. Wenn ich schon die Mütter im Doppelpack treffen muss, dann werde ich mich zumindest mit so einem Branzino trösten.
Jetzt winkt mir Heinz. „Wir wollen noch ein Foto mit dir in der Mitte.“
„Zur Erinnerung“, sagt Roberto Zacheron und sieht mich mit seinen dunklen Augen an. Sich in Köche zu verlieben ist schon besonders einfach. Vor allem, wenn man sie nicht kennt.
Wir stehen zu dritt vor einem dampfenden Topf und schnuppern hinein. Bloß dass ich nichts rieche, während die beiden Männer rechts und links von mir begeistert die Augen verdrehen. Die Flüssigkeit ist klar.
„Mira, mehr Ausdruck!“, ruft Heinz. „Stell dir vor, es ist eine Consommé double! Vielleicht mit etwas Sherry!“
Die Flüssigkeit ist Wasser. Und meine beiden Mitakteure sind deutlich bessere Schauspieler als ich. Ich grinse.
„Super!“, schreit Heinz.
Ich habe ihn noch nie so aufgekratzt erlebt. „Woher weißt du, was eine Consommé double ist?“
„Woher weißt du, was ich in meiner Freizeit mache?“
„Du hast gesagt, du lässt dir Pizza kommen.“
„Ich rede ja auch nicht von Kochen. Ich rede von Fotografieren. Foodfotografie ist meine echte Leidenschaft. Und irgendwann einmal gelingt mir der Umstieg. Jetzt mache ich das nur so nebenher. Schneidet sich ja nicht mit den Reportagen fürs ‚Magazin‘.“
Von wegen, dass er am liebsten Sonnenuntergänge fotografiert.
Als wir in der Tür stehen, klingelt es, ich sehe mich um.
„Der erste Bon. Bei uns gibt der Kellner die Bestellung in den Computer, von dort wird boniert und sie geht weiter auf unsere Bildschirme“, erklärt Roberto Zacheron. „Jetzt müssen wir loslegen.“
„Ich warte auf meinen Mann und unsere Mütter, wir werden eine Kleinigkeit essen“, sage ich zu ihm und geniere mich ein wenig. Ich mag keine Sonderbehandlung. Andererseits wäre es dumm, wenn er durch das Restaurant geht und mich da sitzen sieht.
„Weiß ich lange schon“, antwortet er. „Dr. Kellerfreund ist Anwalt von unserer Firma. Er hat gleich in der Früh schon angerufen.“
Zacheron selbst führt mich an einen Ecktisch im Wintergarten, einige Minuten später kommt Oskar. Warum er nie erzählt habe, dass er zum bekanntesten Italiener der Stadt geschäftliche Verbindungen habe? Habe er ohnehin. Außerdem prüfe er nur hin und wieder einen Vertrag, das sei alles. Mahnungen an Gäste erledige die Sekretärin ohne sein Zutun.
Es gibt Gäste, die essen und dann nicht zahlen?
Oskar lächelt: „Firmen zahlen Rechnungen oft nicht bar, sondern lassen sich lieber einen Erlagschein geben. Und da kann man auf die Überweisung manchmal lange warten.“
Ich sollte mich mehr mit seiner Arbeit beschäftigen, vor allem wenn sie so interessante Seiten
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