Millionenkochen: Ein Mira-Valensky-Krimi
Oskar Kellerfreund. Aus familiären Überfallsgründen mussten wir kurzfristig nach Timbuktu verreisen. In dringenden Fällen wenden Sie sich bitte an das Salzamt.“ Damit legt er auf und wir haben einen nächsten kindischen Lachanfall.
Gismo taucht verschlafen von irgendwo auf und sieht uns verächtlich an.
Am nächsten Morgen erwache ich davon, dass Oskar schon wieder laut singt. Diesmal sind es alte Schlager, er hat die Schlafzimmertür offen gelassen und steht offenbar in der Küche. Ich schnuppere. Ham and Eggs. Mir wird leicht übel. Ich bewundere ihn für seinen Magen und seine Fähigkeit, zu viel zu trinken und am nächsten Morgen putzmunter zu sein. Mein Kopf fühlt sich an, als wenn ihn jemand mit Schaumgummi gefüllt hätte. Ich habe etwas Eigenartiges geträumt. Klaus Liebig – Lena Sanders will ihn erstechen, weil er besser singen kann. Sie haben irgend so eine Doppelarie gesungen und ich war die Einzige im Publikum, die gewusst hat, dass das Messer echt ist. Keine Ahnung, wie der Traum ausgegangen ist. Besser so.
Ich klettere vorsichtig aus dem Bett und spähe in die Küche. Das rechte Auge geht noch nicht ganz auf. Es ist sicher schaurig verschwollen. Gismo steht mit vibrierender Schwanzspitze neben Oskar und beobachtet ihn aufmerksam. Offenbar ist das eine oder andere Stück Speck schon zu Boden gefallen. Oskar ist bereits angezogen, helles Hemd, dunkle Hose – er hat heute Verhandlungstag -, darüber eine meiner Küchenschürzen.
„Essen ist gleich fertig“, singt er, als er mich sieht.
„Oh, gut“, sage ich. Zu mehr bin ich nicht imstande.
„Ich muss in 20 Minuten weg, deckst du den Tisch?“
Ich nicke bloß und schlurfe hin und her. Kaltes Wasser ins Gesicht. Zähneputzen. Ja. Vielleicht macht mich das wieder zum Menschen.
Oskar hat zu den Ham and Eggs die gute superscharfe karibische Hot Sauce und eine etwas gemäßigtere Sweet and Hot Chili Sauce auf den Tisch gestellt. Das jedenfalls ist eine gute Idee. Ich nehme eine Menge von der Hot Sauce, tauche etwas Speck und Ei ein – und bin fast wach. Wenn auch innerlich für alle Zeiten verbrannt. Oskar bricht mir ein Stück Butterbrot ab, ich huste und nehme die zweite Gabel Ham and Eggs nur noch mit einem kleinen Tropfen Hot Sauce. Es beginnt mir zu schmecken, und Mira, der Morgenmuffel, hat den Sprung zurück ins Leben und in einen neuen Tag geschafft.
„Ich hab meiner Mutter versprochen, dass wir uns mit ihnen auf ein kurzes Mittagessen treffen“, sagt mein Lebensretter, schon in der Türe. „Quasi als Wiedergutmachung für unsere gestrige Aktion. – Schau nicht so drein. Es sind trotz allem unsere Mütter.“
„Und Verwandte und Lebensretter kann man sich nicht aussuchen“, maule ich. Beide Mütter auf einem Haufen, o du liebe Güte. „Außerdem muss ich zu Roberto Zacheron, dem neuen …“
„Zacheron? Ich kenne ihn, ich hab seinen Vertrag ausgearbeitet. Gar nicht übel, was der verdient. Dann gehen wir eben dorthin.“
„Das ist sauteuer.“
„Ihr Mädels seid es mir wert.“
„Ich will nicht mittagessen.“
„Arme Mira, dann wirst du zuschauen müssen.“
„Ich soll mit Klaus Liebig dorthin.“
„Essen?“
„Nein, ein, zwei Fotos mit Roberto Zacheron.“
„Okay, danach wirst du ihn los, und wir essen.“
„Ich muss meine Reportage schreiben.“
„Dann darfst du dich nach einer halben Stunde verabschieden und ich bleibe bei den Müttern.“
Ich will nicht allzu zickig sein und sage zu.
Klaus Liebig ist sofort begeistert, Roberto Zacheron zu treffen. Ich habe in der Redaktion das Material für die Reportage durchgesehen und weiß jetzt, dass ich mehr Bilder als Text bringen werde. Was soll ich auch schreiben? Das meiste, was ich weiß, kann ich nicht schreiben und das andere klingt reichlich melodramatisch. Und es räumt der Show einen Stellenwert ein, den sie einfach nicht hat, Einschaltquoten hin oder her.
Das Interview mit der Psychologin habe ich in einen Kasten gestellt. Ich habe versucht, zu Klaus Liebig und MillionenKochen auf Distanz zu gehen und sie Grundsätzliches über derartige Shows und damit verbundene Hoffnungen zu fragen.
Magazin: TV-Gewinnshows haben sehr hohe Einschaltziffern, warum?
Dr. Jonas: Es ist wohl eine Sehnsucht von fast allen: zu gewinnen. Ob durch Glück oder durch Leistung, ist da gar nicht so wichtig. Außerdem ist es so schön, wenn man zu Hause alles besser weiß
.
Magazin: Ich kenne Menschen, die bereiten sich monatelang vor, um in einer Fernsehshow gut zu
Weitere Kostenlose Bücher