Millionenkochen: Ein Mira-Valensky-Krimi
hätte auch schon etwas getrunken. Ich erfahre nichts Neues, natürlich habe er der armen Journalistin keine Hoffnungen gemacht, sie habe sich das selbst zusammengereimt; wenn er sie getroffen habe, nur, weil er ihr das sagen wollte, und vom „Magazin“ sei er auch nur gegangen, weil er den dringenden Wunsch nach Veränderung in sich gespürt habe.
„Hat Ihnen Susanne Kraus irgendetwas erzählt, das im Zusammenhang mit dem Mord stehen könnte?“ Ich flehe ihn schon beinahe an.
„Mit dem Mord?“ Er runzelt die Stirn. „Nur dass sie alle brav mitgespielt haben, in der Hoffnung, endlich einmal etwas zu gewinnen. Und das hab ich der Polizei schon gesagt.“
Ich bin bei Oskar in der Wohnung, er ist nicht da, hat einen Abendtermin mit einem deutschen Klienten. Ich sollte ihn wieder einmal fragen, was die Anwältin Angelika Beer so macht, schon Monate nichts von ihr gehört. Sei nicht kleinlich, Mira. Es ist Jahre her, dass du die beiden in Frankfurt in einem Hotel erwischt hast. Inzwischen ist sie verheiratet und wir sind es auch.
Ich sehne mich nach meiner Wohnung. Ich geistere herum und finde keinen Jameson-Whiskey. Gismo kommt und stößt mir ihren Kopf gegen das Schienbein.
„Sollen wir heimfahren?“, frage ich meine Katze und komme mir dumm vor.
Mein Mobiltelefon läutet. Rufnummer unterdrückt. Ich will es schon läuten lassen, aber die Neugier siegt.
„Lena Sanders, sind Sie noch wach?“
„Ja. Was gibt es?“
„Ich … weiß nicht, ich kann mit niemandem sonst darüber reden. Ich habe heute eine SMS bekommen. Ich kenne die Nummer nicht. ‚Ich bin der Star’ stand da. Sonst nichts. Ich will nicht die Polizei anrufen, die halten mich für verrückt. Nur: Ich habe Bert Seinitz heute auf dem Sendergelände gesehen.“
„Er will auch noch einmal antreten, so wie Klaus Liebig“, seufze ich.
„Ich weiß. Trotzdem. Und …“
„Und was?“
„Ich … hatte einen schlimmen Streit mit Anna-Maria Bischof. Ihr Mann hat die Idee gehabt, dass ich für ein kleines Publikum bei ihnen im Hotel singen soll. Ich mache so etwas nicht. Was bin ich? Eine, die tingeln muss?“
„Will er zahlen?“
Die Operndiva lacht auf. „Meine Gagen kann sich der doch nie im Leben leisten! Ich soll singen, sonst … sonst will er erzählen, dass ich nicht kochen kann.“
„Das ist doch nicht so wichtig“, beruhige ich sie.
„Ist es nicht? Ist es doch. Ich meine, mir sind nicht die Fernsehzuschauer wichtig, sondern mein Publikum, das Publikum, das etwas von Musik versteht, und …“
Und, wird sie jetzt gleich sagen, das ist etwas, das Sie natürlich nicht schreiben dürfen. Irgendwann einmal reicht es mir.
„… und“, wiederholt sie, „mein Agent hat gerade einen Vertrag für eine sehr gut bezahlte Werbekampagne abgeschlossen. Für die Präsentation von Fertig-Gourmetmenüs.“
„Oje.“
„Ich habe Angst“, haucht Lena Sanders, „ich wollte nur, dass das jemand weiß.“ Dann legt sie auf. Ich habe keine Chance, sie zu erreichen.
Wenn sie wirklich Angst hat, warum geht sie nicht doch zur Polizei? Und wenn sie mir nur eine opernhafte Vorstellung liefern wollte: Was hat sie davon? Was hat sie vor?
Heute war jedenfalls Aufzeichnungstag. Ich hätte sie fragen sollen, wie Klaus Liebig abgeschnitten hat. Sie hätte es mir wohl nicht erzählt. Warum hat er sich nicht wie sonst immer nach der Aufzeichnung gemeldet? Erwartet er tatsächlich, dass ich jede Woche groß über sein Weiterkommen berichte? Hat er sich an einen anderen Journalisten gewandt?
Ich greife mir Oskars zweitbesten Cognac, trinke drei Gläser, werde um nichts klüger und gehe schlafen. Ich merke nicht einmal, dass Oskar zu mir ins Bett kriecht. Jetzt sind wir wohl wirklich verheiratet.
Offenbar war nicht nur unser Chefredakteur für seltsame Managementmethoden. In der Redaktionssitzung taucht überraschend unser Herausgeber auf, der, den bisher normalsterbliche Redakteurinnen und Mitarbeiter bestenfalls bei der Weihnachtsfeier gesehen haben – und da ging sogar der Witz um, der Typ sei gar nicht der Hausgeber, sondern ein gemieteter Schauspieler. Jetzt bittet er alle Ressortchefs zu einem Brainstorming. Der heutige Tag sei günstig, das Heft so gut wie fertig. Es gehe um das Anforderungsprofil für den neuen Chefredakteur. Zum Glück gehöre ich nicht zu den Ressortleitern, denke ich mir, armer Droch. Seine Vorstellungen und die des Chronikchefs oder gar der Sportredaktion liegen ziemlich weit auseinander.
„Sie bitte ich auch zu
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