Millionenkochen: Ein Mira-Valensky-Krimi
seine Frau ist vor drei Jahren gestorben. Brustkrebs. Wir haben uns fast jeden Tag gesehen, daneben habe ich aber wirklich auch sehr viel Arbeit gehabt. Es ist immer schwieriger geworden, ihm Wahrheit zu sagen.“
„Wer glaubt er, dass du bist?“
„Er glaubt, ich bin geschiedene Frau von einem Rechtsanwalt. Ist mir eben so eingefallen, habe ich in Bosnien Mathematik studiert und habe ich als Dozentin auf der Universität gearbeitet, bis der Krieg gekommen ist. Dann bin ich geflohen, habe diesen Anwalt geheiratet und mich wieder getrennt.“
„Da hast du ja einen ganzen Lebenslauf erfunden.“
„Wenn man gefragt wird … Eines geht zum anderen und jetzt weißt du auch, dass ich nicht plötzlich sagen kann: Ätsch, ist alles ganz anders. Bin ich Putzfrau und etwas Detektivin, aber nur illegal. Wollte dich bloß aushorchen, Geliebter. Und dann glaubt er, das will ich auch jetzt noch.“ Vesna seufzt. „Für Mata Hari mir fehlt offenbar Abgebrühtheit.“
„Willst du dich von deinem Mann trennen?“
Vesna stochert im Couscous, als könnte sie zwischen den Garnelen eine Antwort finden. „Ich habe mich nicht gefragt, ich versuche es wegzudrängen. Ich denke, es kann nur kurz dauern, es ist sicher gleich wieder vorbei. Solange es geht, will ich genießen.“
„Warum eigentlich? Kann doch sein, dass sich der Produzent auch in dich verliebt hat? Ernsthaft, meine ich.“
„Kann sein, aber in die Frau, für die er mich hält.“
„Du bist, wie du bist, der Rest ist doch bloß Biografie“, versuche ich sie zu trösten. Da kommt mir ein gar nicht romantischer Gedanke. Wenn sie ihn getäuscht hat, was sagt uns, dass nicht auch er sie getäuscht hat? Dass er sehr wohl erfahren hat, wer sie ist, und ihr nahe bleibt, um zu klären, was wir über MillionenKochen herausfinden wollen? Immerhin hat er die Sendung erfunden. Und der Erfolg von Win-Sat hängt in erster Linie an MillionenKochen.
„Und was … wenn er dich benutzt, um zu erfahren, wie viel wir über die Sendung wissen?“
„Dann müsste er nicht nur wissen, wer ich bin, dann hätte er das auch gefragt, damit ich ihm erzähle. So reden wir über Kunst und über das Leben, sogar über Politik und so etwas.“
Ihre Antwort ist sehr rasch gekommen. Sie scheint selbst schon darüber nachgedacht zu haben.
„Und du hast nie etwas in diesem Zusammenhang erzählt?“
„Nicht … direkt. Er hat mich nach Freunden gefragt, Freundinnen. Ich habe gesagt, dass ich dich kenne. Weil ich mir gedacht habe, vielleicht erzählt er etwas.“
„Und – hat er?“
„Nein.“
„Aber du hast erzählt.“
„Doch nichts Wichtiges, so verliebt kann ich gar nicht sein, man verliert nicht Verstand davon, auch wenn es heißt. Ich habe nur etwas über das ‚Magazin‘ allgemein erzählt, und dass dieser Kandidat dauernd hinter dir her ist.“
Ich stöhne auf. „Reicht das nicht? Er kann annehmen, wenn er dich bei der Stange hält, wirst du ihm schon rechtzeitig sagen, wenn ich etwas Größeres plane. So kann er seine Vorkehrungen treffen.“
Vesna sieht mich empört an. „Kannst dir wohl nicht vorstellen, dass Produzent sich in mich verliebt? Dass er mich attraktiv findet? Dass wir wunderschöne Tage zusammen haben – und Nächte?“
„Kann ich mir schon vorstellen. Aber ich bin lieber vorsichtig.“
„Ich kann sehr gut auf mich aufpassen. Habe ich immer getan. Und ich kann Menschen gut einschätzen. Ihm kann ich trauen.“
„So wie er dir?“, sage ich und bereue es dann wieder.
„Kann er mir“, sagt Vesna leise. „Er hat mit all dem nichts zu tun. Er hat sich von MillionenKochen so weit, wie geht, entfernt. Machen andere. Er überlegt neue Show, etwas mit Kunst und Bildern. Nichts mit hohen Gewinnen.“
„Du magst ihn wirklich.“
„Ja“, antwortet Vesna. „Und ich werde ihm sagen, wer ich bin.“
Ich hoffe, er weiß es nicht schon.
Ich komme spät in die Redaktion. Ich war auf dem Naschmarkt einkaufen. Im Chefsekretariat gibt es einen großen Kühlschrank, ich komme mit beiden Sekretärinnen gut aus, und da Droch unser interimistischer Chef ist, rechne ich mit keinem Widerspruch, als ich den Inhalt von drei Nylonsäcken kalt stelle. Eine der Sekretärinnen sagt: „Gibst du ein Fest?“
„Ich hab einfach nichts mehr daheim gehabt“, erkläre ich. Und erst in dieser Minute wird mir klar, dass ich für meinen Kühlschrank, den in meiner Wohnung, eingekauft habe. Und dass es mir, egal wie ich Oskars Zögern verstehen soll, eigentlich sehr
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