Millionenkochen: Ein Mira-Valensky-Krimi
gebe ich noch einen Chili dazu, ich liebe es scharf, und Oskar mag das eigentlich auch. Was ist, wenn Klaus Liebig heute verliert? Ist jemand da, der ihn abholt, der auf ihn aufpasst? Ich habe ein schlechtes Gewissen. Natürlich hat er darum gebeten, geradezu gebettelt, aber ich bin ja nicht sein Kindermädchen. Verantwortung? Letztlich war ich es, die ihn wieder zu MillionenKochen gebracht hat. Um darüber schreiben zu können. Um die Zeit zu überbrücken, bis ich weiß, was ich so dringend wissen will: Wo treffen Show und Realität aufeinander? Wo sind sie so gegeneinandergeprallt, dass eine Tote übrig blieb? Und jemand fast erstochen worden wäre? Die Zwiebelstücke sind goldgelb, ich gebe Kristallzucker dazu und lasse ihn karamellisieren. Mira Valensky bei MillionenKochen: „… und dann lasse ich den Zucker karamellisieren. Es ist wichtig, darauf zu achten, dass er nicht zu dunkel wird, sonst entstehen Bitterstoffe. So, jetzt nehme ich den Rotwein und lösche die Zwiebel mit dem Großteil der Flasche ab.“ Blödsinn, Mira, nicht mit dem Großteil der Flasche, sondern mit dem Großteil des Weines, die Kandidaten haben den Nachteil, dass sie nichts von der Autocue ablesen können. Ich schütte den Wein hinein, rühre gut um. „Jetzt würze ich mit gemahlenem Neugewürz, auch Allspice oder Nelkenpfeffer genannt, und etwas Galgant und warte, bis die Flüssigkeit unter langsamem Kochen auf ein Drittel einreduziert ist.“ Ich strahle in eine imaginäre Kamera und plötzlich steht Oskar neben mir und sieht mich verstört an. Ich muss wohl tatsächlich halblaut vor mich hin geredet und dämlich gelächelt haben.
Auch ich bin irritiert. „Warum hast du heute nicht geläutet?“ Mich mitten in meiner Kochshow zu unterbrechen …
„Hab ich, hast du nichts gehört?“
„Ich war … in Gedanken.“
„Riecht köstlich.“ Dann entdeckt er die Torte. „Bekommen wir Besuch?“, fragt er und runzelt die Stirn.
„Die ist nur für uns zwei“, säusle ich – und das Millionenpublikum vor den Fernsehgeräten, füge ich im Geiste hinzu. Er kann sich nicht erklären, warum ich grinse.
Die Rotweinsauce schalte ich auf ganz kleine Flamme zurück, je langsamer sie einreduziert, desto besser. Sie wird am Ende nur noch mit dem Saft, der beim Braten des Schweinsschopfs austritt, ergänzt und mit etwas in Rotwein verrührter Stärke leicht gebunden.
„Wenn du deckst, mache ich die Suppe fertig“, sage ich.
„Vor dem Fernseher?“, fragt Oskar.
„Nur wenn es dir nichts ausmacht.“
Oskar kommt zu mir und umarmt mich von hinten. „Hexe“, sagt er, „aber ganz naiv bin ich auch nicht, du willst mich einkochen, damit es mich nicht stört, mit dir vor dem Fernseher zu essen, statt in Ruhe am Tisch.“
Ich widerspreche nicht, sondern wärme die DAC-Suppe. Ich mixe sie mit dem Pürierstab, schmecke sie mit Pfeffer aus der Mühle und Salz ab, gebe noch einen Schuss DAC-Veltliner dazu, dann Obers und schäume sie auf. Sie riecht würzig nach Wein und Brot. Nachdem ich sie in Oskars schönen schweren Suppentellern angerichtet habe, reibe ich noch ein wenig Muskatnuss darüber.
Ich glaube, das Rezept kann ich Eva guten Gewissens geben.
Klaus Liebig gewinnt auch diese Runde. Sein Gegner ist der Chef einer sehr bekannten Großgärtnerei, und einmal mehr frage ich mich, was Menschen dazu treibt, hier anzutreten. In seinem Fall dürfte es weder das Geld noch die kurzfristige Berühmtheit sein. Werbung für seine Firma? Möglich. Der Kitzel, vielleicht zu gewinnen? Er hat jedenfalls verloren. Und wenn es ein ernstes Strahlen gibt, dann ist das der Gesichtsausdruck von Klaus im Schlussbild.
Eine der Fragen hat mir so gut gefallen, dass ich sie mir wohl lange merken werde:
„Welcher Staatsführer hat überlegt, den Adler im Wappen seines Landes durch einen Truthahn zu ersetzen? a) Fidel Castro b) Benjamin Franklin c) Franz Jonas d) Mao Tse-tung.“ Klaus Liebig hat für einen Moment irritiert dreingesehen, das war keine der Standard-Kochfragen. Aber er war ja auch schon in Runde 4. Er hat nach oben, dann auf den Boden gesehen. „China hat keinen Adler im Staatswappen. In Österreich … da wäre es wohl eher, wenn überhaupt, ein Schwein gewesen. Kuba … ich bin mir nicht sicher, ob Kuba einen Adler im Wappen hat. Ich würde Castro die Aktion zutrauen …“ Schweigen. Lena Sanders hilft ihm nicht weiter.
„In den USA gibt es einen Adler im Wappen. Und Truthahn zum Thanksgiving Day. Aber ob Franklin … Zutrauen würde
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