Milner Donna
Schultagen.
Seit der Pyjamaparty war ich nicht mehr im Haus der Ryans gewesen. Abgesehen davon, dass ich Mr. Ryan nicht über den Weg laufen wollte, hatte ich kein Interesse am Stadtleben. Ich war der Meinung, dass meine Familie, mein Zuhause viel besser seien als alles, was diese schmucken Häuser, die sich an den Hängen von Atwood übereinanderstapelten, zu bieten hatten. Als sie meine Freundschaft suchte, gewährte ich Elizabeth-Ann Zutritt zu meinem Leben, weil ich glaubte, dass meine Welt vollkommen war und ihre nicht.
Obwohl ich wusste, dass Boyer die ursprüngliche Attraktion war, wuchs meine Freundschaft mit Elizabeth-Ann, und ich fing an, mich auf ihre Anwesenheit zu freuen.
Ich bin mir sicher, dass sie, wie die anderen Mädchen, glaubte, dies sei ein fairer Austausch. Sie bekamen Gelegenheit, mit den Ward-Söhnen am Tisch zu sitzen. Sie durften kokett sein und herumflirten und so tun, als wären sie erwachsen, weil ihre Eltern nicht zusahen. Im Gegenzug schenkten sie mir ihre Freundschaft. Sie versuchten, mir die neuesten Mode- und Kosmetiktricks zu zeigen; sie liehen oder schenkten mir kurze Röcke und Twinsets, die der letzte Schrei waren. Während das ihren Vorstellungen von einem fairen Austausch entsprach, war es für mich zunächst nichts als ein Luxus, eine Kuriosität. Ich klammerte mich nämlich hartnäckig an mein Wildfang-Image.
Unser Heuboden wurde ein beliebter Stammplatz, sobald wir Mom versprochen hatten, dass niemand dort rauchen würde. Ich folgte den anderen, wenn sie über das lose Heu zu den offenen Luken unter dem Giebel hinaufkletterten. Von diesem Aussichtspunkt aus spionierten sie meinen Brüdern nach, die unten arbeiteten, und brachen, sobald sie auch nur den geringsten Blick von ihnen erhaschten, in hemmungsloses Gekicher aus. Natürlich waren sich meine Brüder all dessen bewusst. Morgan und Carl stolzierten herum und posierten wie die Zwerghähne und benahmen sich so, als glaubten sie selbst, dass unsere kleine Farm eine »Ranch« war. Ich beobachtete genau, wie Elizabeth-Ann es bei Boyer mit ihren Künsten versuchte. Bei den Mahlzeiten bemühte sie sich am Tisch um einen Platz in seiner Nähe. Sie nutzte jeden Vorwand, um ihn zu bitten, ihr etwas zu reichen, und klimperte jedes Mal, wenn sie ihn ansprach, schamlos mit den Wimpern.
Boyer war immun gegen ihr augenfälliges Geflirte und behandelte sie mit der höflichen Nachsicht, die er gegen jedermann übte, der nicht zur Familie gehörte. Und wann immer er mir zublinzelte oder mich anlächelte, verspürte ich eine selbstgefällige Überlegenheit, weil ich wusste, dass ich »seine Freundin« war.
Ich denke, dass jedes der Mädchen, die auf unsere Farm herauskamen, seine eigenen Träume von romantischen Begegnungen mit einem meiner Brüder auf dem Heuboden hegte. Und ich bin mir sicher, dass es im einen oder anderen Fall am Ende auch dazu gekommen ist. Aber in jenen frühen Sommern mussten sie sich noch miteinander begnügen. Ich beobachtete mit amüsierter Neugierde, wie sie sich im Heu wälzten und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen ihre knospenden Brüste aneinanderrieben. Ich spürte sogar einen kleinen Funken Interesse, als sie Zungenküsse übten. Auf jeden Fall war dieser Funke größer als jedes Fünkchen von Gefühl, das ich beim Anblick der bleichgesichtigen Jungs an der Schule oder irgendeines der Freunde meiner Brüder empfunden hätte. Als wir dazu übergingen, am See gleich hinter unserem Feld Lagerfeuer abzubrennen und Flaschendrehen zu spielen, betete ich jedes Mal, dass die Öffnung der kreiselnden Flasche nicht bei mir zum Stillstand käme. Wenn es doch der Fall war, zog ich mich mit einem ebenso widerstrebenden Partner in die Dunkelheit zurück und flüsterte: »Wir tun nur so, als ob.« Und wenn ich aufgefordert wurde, ernst zu machen, durchzuckte mich ein widerlicher Schauder, sobald eine feuchte Zunge meine Lippen berührte. Insgeheim fing ich an zu glauben, dass ich niemals auch nur das geringste Kribbeln einer Erregung oder ein Verlangen nach dem anderen Geschlecht verspüren würde.
Aber all das änderte sich schlagartig, als River kam.
15
R IVER J ORDEN. Wie ein Fluss strömte er in unser Leben, so leicht, wie das Wasser seinen Lauf findet. Und wie Wasser sollte er zur rechten Zeit die ausfransenden Ränder des Widerstands unterspülen.
Morgan und Carl waren die Ersten, die nicht standhielten. Sie brachen nicht sofort ein, sondern benötigten immerhin einen Tag dazu.
River kam vor dem
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