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Milner Donna

Milner Donna

Titel: Milner Donna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: River
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ich, dass River über diese Kontroverse schon viele Male debattiert hatte, bevor er an unserem Tisch gelandet war. Ich beobachtete sein Gesicht, während er über die Fragen meines Vaters nachdachte. Er wog jede einzelne mit Geduld und Respekt ab, ehe er antwortete, ohne sich irgendwie zu entschuldigen. Er erklärte Dad, dass er weder einen Kreuzzug führe noch ein Anarchist sei. Für ihn sei es einfach: Er könne nicht an einem unmoralischen Krieg teilnehmen.
    »Das sind doch nur Worte«, sagte Dad. »Ausreden, mit denen ihr jungen Leute euch um eure Pflicht drückt.«
    Ich hätte gern in die Unterhaltung eingegriffen, um diesen Fremden, der mir gegenübersaß, irgendwie zu verteidigen, aber ich wusste fast nichts über das Thema, und so hielt ich den Mund.
    Mom erlegte sich keine solche Zurückhaltung auf. »Was wäre, wenn es um unsere Söhne ginge?«, fragte sie Dad.
    »Alles, was ich sage, ist, dass ein Mann seinem Land gegenüber eine Verantwortung trägt«, brummelte mein Vater. »Die Freiheit hat ihren Preis.«
    Boyer, der dem Wortwechsel schweigend gefolgt war, meldete sich zu Wort: »Ich bezweifle, ob in Vietnam Amerikas Freiheit auf dem Spiel steht«, sagte er und blickte Dad direkt an. »Ebenso wenig wie unsere.«
    »Ein Mann hat eine Pflicht gegenüber seinem Land«, erwiderte mein Vater.
    »Seinem Land gegenüber, ja«, sagte River. »Aber ich glaube nicht, dass meine Pflicht gegenüber meinem Land darin besteht, Befehle korrupter Politiker blindlings zu befolgen. Ich würde für mein Land sterben, Sir. Das wäre leicht. Damit zu leben, Leute umzubringen, die uns nichts getan haben, wäre es nicht.«
    Dad stöhnte und aß weiter. Nach einer Weile fragte er: »Und was denken Ihre Eltern über das alles? Dass Sie von zu Hause getürmt sind und vielleicht nie mehr zurückkehren dürfen?«
    River antwortete nicht sofort. Er legte Messer und Gabel über das obere Ende seines Tellers und nickte zu meiner Mutter hinüber. »Danke, Nettie«, sagte er. »Das war köstlich.« Dann wandte er seine ungeteilte Aufmerksamkeit Dad zu. »Mein Vater ist tot«, begann er. »Meine Mutter glaubt auch nicht an diesen Krieg. Und mein Großvater, nun, er ist mit meiner Entscheidung, mich der Einberufung zu widersetzen, nicht einverstanden. Aber zunächst einmal hat er meinen Entschluss, die Universität zu verlassen, nicht nachvollziehen können.«
    »Universität?« Boyers Stimme verriet sein Erstaunen. »Wenn du auf der Uni warst, hätte man dich doch gar nicht eingezogen.«
    River wandte sich zu Boyer um, der am anderen Ende des Tischs saß. »Ja«, sagte er, »das stimmt. Wenn ich geblieben wäre. Aber während der Krieg und die Bombardierungen eskalierten, konnte ich mich nicht einfach zurücklehnen und überhaupt nichts dagegen tun. Ich habe mich der Friedensbewegung angeschlossen. Als ich meinen Einberufungsbefehl bekommen habe, blieb mir aus Protest gegen eine Regierung, an die ich nicht mehr glaube, nur die Möglichkeit, den Bescheid zu verbrennen und das Land zu verlassen.«
    »Na ja, ich schätze mal, dass es in Kanada nicht so übel ist wie im Knast«, schnaubte Dad.
    »Im Exil zu sein ist an sich schon ein Gefängnis«, antwortete River.
    Am Tisch herrschte Schweigen. Morgan und Carl folgten wie ich der Unterhaltung, ohne sich einzuschalten. Ich fragte mich, was sie und Boyer wohl tun würden, wenn sie mit ähnlichen Entscheidungen konfrontiert wären. Ob sie auch dachten, dass es nur ein Zufall der Geburt und einer wenige tausend Meter entfernten unsichtbaren Linie war, die ihre eigenen Entschlüsse so einfach machten, verglichen mit denen dieses jungen Amerikaners?
    Es war Dad, der das Thema wechselte. »Warum haben Sie sich also entschlossen, ausgerechnet hierher zu kommen?«, fragte er. »Soweit ich weiß, gibt es in den East Kootenays einen ganzen Haufen Ihresgleichen. Nennt sich ›Die neue Familie‹.«
    »Ich bin nicht hierhergekommen, um in einem Little America zu leben. Oder in einer Kommune. Als ich Ihr Inserat in der Zeitung sah, habe ich gedacht, das sei eine gute Gelegenheit, Zeit zu bekommen, darüber nachzudenken, was ich als Nächstes tun werde. Und um Kanada kennenzulernen. Kanadier kennenzulernen.«
    Mein Vater sah zu meiner Mutter hinüber, dann wieder zu River. »Haben Sie jemals auf einer Milchfarm gearbeitet?«
    »Ich bin auf der Farm meines Großvaters in Montana aufgewachsen«, gab River zur Antwort. Er sagte nichts über die Größe dieser Farm oder darüber, dass es ein moderner,

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