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Milner Donna

Milner Donna

Titel: Milner Donna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: River
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dass River es genauso hielt.
    »Verlass dich niemals auf den ersten Eindruck«, hatte Boyer einmal zu mir gesagt. »So oder so wird nur die Zeit erweisen, wie ein Mensch wirklich ist.« Doch als Boyer Rivers Hand losließ, sah ich ein Lächeln über sein Gesicht huschen.
    Nachdem sich alle die Hände gewaschen hatten, rutschte River auf die Bank hinter dem Tisch, neben Morgan und Carl. Nach dem Amen des Tischgebets hob Mom den Deckel vom gusseisernen Topf. Sie nahm den Schöpflöffel und begann, den Eintopf auszuteilen.
    »Danke sehr, Ma’am«, sagte River zu Mom, als sie die erste dampfende Portion vor ihm abstellte.
    »Ma’am?« Carl und Morgan äfften Rivers Akzent nach. Moms Stirnrunzeln ließ ihr Gelächter verstummen.
    »Nettie«, erinnerte Mom River und fuhr mit dem Servieren fort.
    »Ja, Ma’am«, sagte River, »Nettie.« Und er nickte Mom mit einem Lächeln zu, das so echt war, dass nicht einmal Carl und Morgan seine Aufrichtigkeit hätten in Zweifel ziehen können.
    Nachdem Mom einen Teller voll Eintopf vor Morgan gestellt hatte, beugte er sich vor und rieb sich die Hände. »Mmmmmm«, sagte er und sog den Duft ein, »geschmortes Hirn, mein Lieblingsgericht.«
    Unsere Mutter war keine große Köchin, aber doch eine recht passable. Ihr Hackfleischeintopf war deftig und schmackhaft, bisweilen sogar farbenfroh. Andere Opfer dieses abgeschmackten Scherzes erblassten gewöhnlich, wenn sie einen Teller mit der rosa-gräulichen Kreation gereicht bekamen.
    »Magst du Hirn, River?«, erkundigte sich Carl, während Mom eine weitere Portion austeilte.
    River zögerte keinen Augenblick. »Na klar!«, sagte er und schluckte den ersten Bissen hinunter. »Besonders gern zum Frühstück, mit Zwiebeln gebraten und mit scharfer Sauce.« Er nahm sich eine dicke Scheibe Brot von der Platte, die Mom ihm hinhielt. »Ich werde für euch Jungs mal eine schöne Ration auf den Tisch zaubern.« Während er sich sein Brot mit Butter bestrich, warf er ein kurzes verschwörerisches Lächeln zu mir herüber.
    Morgans und Carls Grinsen begann zu erlöschen. Um die Mundwinkel meines Vaters spielte ein leises Schmunzeln, das wieder verschwand und mich zweifeln ließ, ob ich es mir nur eingebildet hatte. Dad war der Einzige in unserer Familie, der Hirn mochte. Er aß jedes Organ, jeden Teil einer Kuh, den Mom für ihn zubereitete: das Herz, die Leber, die Nieren und sogar die Zunge. Meine Brüder würden niemals »Innereien« auch nur anrühren. Wenn Mom meinem Vater diese Delikatessen servierte, zogen sie es vor, Reste oder Sandwiches zu essen.
    »Also, ich muss schon sagen, Nettie«, setzte River an und tunkte sein Brot in die fad aussehende Sauce, »das hier schmeckt genau wie der Eintopf meiner Mommy. Sie vermischt das Kuhhirn mit Hackfleisch, genau wie das hier. Wenn man es nicht wüsste, würde man nie merken, dass es drin ist.«
    Morgan und Carl blickten auf ihre Teller hinunter, dann wieder zu Mom auf. Sie zuckte mit einer Unschuldsmiene die Achseln. Boyers Mundwinkel bebten. Morgan und Carl stocherten argwöhnisch in ihrem Eintopf herum.
    Dann begann Dad mit seinem Verhör. Anders konnte man es nicht nennen. Ob er sich immer noch über Moms Initiative, River zu engagieren, ärgerte oder ob er eine wirkliche Aversion gegen diesen jungen Mann hegte, wusste ich nicht. Aber er fing an, ihn mit Fragen zu bombardieren, die wie Anklagen klangen.
    »Also, warum haben Sie die Staaten verlassen?«, fragte er.
    River blickte meinen Vater direkt an. »Nun, Sir«, sagte er, »ich bin fort, weil ich nicht an den Krieg in Vietnam glaube.«
    »Ein Drückeberger«, sagte mein Vater.
    »Gus!«, rief Mom.
    »Mir ist ›Kriegsgegner‹ lieber«, sagte River. »Aber ich vermute, Sie haben recht, Drückeberger ist wahrscheinlich das Etikett, mit dem ich werde leben müssen.«
    Während unserer Tischgespräche pflegte mein Vater seine Worte dadurch zu unterstreichen, dass er seine Gabel in die Luft stieß. Er hob nun die Gabel, überlegte es sich dann anders und tauchte sie noch einmal in den Eintopf, bevor er wieder das Wort ergriff: »Ich sage es jetzt mal frisch von der Leber weg«, erklärte er. »Ich meine, dass ein Mann für sein Land kämpfen sollte, wenn er dazu aufgerufen wird.«
    Ich glaubte, einen Ausdruck des Bedauerns in Rivers Augen zu erkennen, als er antwortete: »Und das respektiere ich, Sir, aber ich sehe nicht, inwiefern dieser Krieg in Asien der Krieg meines Landes ist.«
    Aus der ruhigen Entschiedenheit in seiner Stimme schloss

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