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Milner Donna

Milner Donna

Titel: Milner Donna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: River
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ich überhaupt etwas sage, entscheide ich, welche Details ich für mich behalten, welche ich aussortieren oder übergehen und welche ich ihr mitteilen werde. Dann lehne ich mich zurück und erzähle ihr mit unbeteiligt klingender Stimme, wie River zu uns kam, Teil von uns wurde, wie wir uns alle in ihn verliebten. Und ich erzähle ihr kurz von der Nacht, in der ich auf sein Zimmer ging.
    Das klingt alles so banal, so alltäglich – ein junges Mädchen, das so verblendet war von dem, was es für Liebe hielt, dass es die Wirklichkeit aus den Augen verlor. Ein Kind, das in dem Augenblick in die Irre lief, als es glaubte, sein Verlangen habe es in eine Erwachsene verwandelt.
    Ich mache mir nicht die Mühe, Jenny zu erklären, dass »brave« Mädchen »es« damals nicht machten. Ich sage nicht, dass mich das, was in dem Zimmer geschah, mit Schuld- und Reuegefühlen erfüllte. So war es nicht. Nicht damals. Das kam erst später.
    In jener Nacht lag ich zusammengerollt auf Rivers Bett und hing seinen Worten nach. Er hat gesagt, dass er mich liebt!
    Er glaubt, dass ich zu jung für ihn bin, redete ich mir ein. Ich war sechzehn. River war zweiundzwanzig. Mein Vater war zehn Jahre älter als meine Mutter, daran würde ich ihn erinnern. Sie war siebzehn, als sie heirateten, und sieh dir die beiden an! In zwei Monaten würde ich siebzehn sein; sechs Jahre würden dann nicht mehr nach einem so großen Altersunterschied aussehen. Ich konnte warten. Wir konnten warten. Ich döste ein in der Überzeugung, dass er das auch so sehen würde. Er würde auf mich warten, alles würde gut ausgehen.
    Es sei denn, natürlich, alles käme doch anders.
    Ich weiß nicht, wie lange ich schlief. Ich wachte auf, als eine Hand sanft meine Schulter berührte. »Natalie, wach auf.« Ich schlug die Augen auf, und da stand River. »Du solltest ins Haus gehen«, sagte er nicht unfreundlich.
    Er war vollständig angezogen, in Jeans und Hemd, als wäre es schon Morgen und nicht mitten in der Nacht. Er duftete nach Ivory-Seife, und aus seinen Haaren, noch nass von der Dusche, tröpfelte es auf die Schultern seines Baumwollhemds.
    Er nahm sein Tagebuch vom Nachttisch und ging hinüber zum Chromtisch unter dem Fenster. Die Kerzen waren gelöscht. Helles Licht aus der offenen Badezimmertür flutete ins Zimmer. River saß über den Tisch gebeugt da, mit dem Rücken zu mir. Durch das Fenster sah ich, dass das Gewitter abgezogen war. Ich kletterte aus dem Bett und trat einen Schritt auf ihn zu.
    »Geh nach Hause, Natalie«, sagte er, ohne sich umzudrehen. Es war eher eine flehentliche Bitte als eine Aufforderung.
    »Alles wird gut werden«, sagte ich. Ich wollte, dass er die gleiche Freude verspürte wie ich. Ich wusste, dass es nicht so war.
    »Wir reden morgen«, sagte er mit einem Seufzer.
    Ich wollte nicht weggehen, aber das Versprechen in diesen Worten rührte mich. Ich holte meine nassen Schuhe unter dem Bett hervor. An der Tür drehte ich mich um und flüsterte: »Gute Nacht.«
    Es kam keine Antwort. Am Tisch vor dem Fenster saß River und starrte in die Nacht hinaus. Dann ließ er den Kopf sinken, wie nach einer Niederlage. Ich wollte ihn bitten, nicht böse zu sein, aber mein Instinkt hielt mich zurück.
    Ich zögerte nur einen Augenblick, bevor ich leise die Tür hinter mir zuzog. Ich stand oben auf der Treppe. Auf der anderen Seite des Hofs war das Haus dunkel bis auf die weiß getünchte Außenverkleidung, die im zunehmenden Mondschein zu leuchten schien. Ich zog Boyers Hemd enger um mich und schüttelte das Gefühl von Traurigkeit ab, während ich die Stufen hinunterging.
    Ich beeilte mich nicht. Ich machte vorsichtige Schritte über die Kies- und Schlammpfützen im Hof. Als ich am Rosengarten meiner Mutter vorbeikam, war die Luft schwer von Bauernhofgerüchen und dem Duft der Rosenblüten, die der heftige Regen beschädigt hatte. Bis zum heutigen Tag versetzt mich der frische Erdgeruch nach einem Gewitter in diese Nacht zurück.
    Als ich auf der Veranda ankam, schob ich langsam die Fliegengittertür auf, hielt inne, als sie quietschte, und atmete erst weiter, als alles wieder still war. Ich zog die Küchentür hinter mir zu und stand einen Augenblick im Finstern. Dankbar für die kindischen Spiele mit dem blinden Gehen, tappte ich auf Zehenspitzen die unbeleuchtete Treppe hoch und zählte dabei jede der achtzehn mit Linoleum ausgelegten Stufen. Im schmalen Flur oben bog ich nach links und zählte sechs Schritte bis zu meiner Tür, dann

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