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Milner Donna

Milner Donna

Titel: Milner Donna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: River
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Mittagessen an«, schrieb sie. »Deine Brüder sollten im Laufe des Vormittags aus Kelowna zurück sein.« Meine Mutter erinnerte mich ferner daran, dass Father Mac zum Abendessen käme. Der Sonntagsbraten, aus dem rote Flüssigkeit durch das braune Einwickelpapier sickerte, taute im Spülbecken auf.
    Nachdem ich das Frühstücksgeschirr meiner Eltern abgewaschen hatte, verbrachte ich meine Zeit im vergeblichen Versuch, mich auf den Krieg von 1812 zu konzentrieren.
    Wenn meine Mutter sich anders verhielt, als sie und mein Vater an diesem Tag aus der Stadt zurückkehrten, wenn sie stiller und zurückhaltender war, dann habe ich es kaum wahrgenommen. Wenn sie distanziert schien, während sie den Tisch für das Mittagessen deckte, erklärte ich es mir damit, dass sie sich Sorgen machte, weil meine Brüder auf der Straße unterwegs waren.
    Rechtzeitig, als hätten sie eine Mittagsglocke läuten hören, stürmten Morgan und Carl überdreht und übermüdet zur Tür herein.
    »Jetzt kannst du dich entspannen, Nettie, deine Jungs sind daheim«, zog Dad sie auf.
    Aber ich war zu sehr in meine eigenen Gedanken versunken, um mich zu fragen, warum sie immer noch so zerstreut wirkte. Ich war zu sehr damit beschäftigt, die Bilder der vergangenen Nacht heraufzubeschwören, den Veränderungen in meinem Körper nachzuspüren, und ich war mir allzu sicher, dass mein köstliches Geheimnis für jedermann augenfällig sein musste.
    Während ich die Tür im Auge behielt und mit Bangen darauf wartete, dass River hereinkäme, ließ ich mir bereits das Gespräch, das er mir versprochen hatte, durch den Kopf gehen. Aber das Mittagessen ging vorbei, und von River keine Spur.
    Später besuchte ich widerstrebend mit Mom die Nachmittagsmesse. Ich war der Meinung, dass sie früher schon in der Kirche gewesen war. Auf den Gedanken, dass sie an diesem Morgen mit Dad die Milch ausgeliefert hatte, war ich gar nicht gekommen.
    In St. Anthony’s stand ich den Gottesdienst durch wie ein Roboter. Ich kniete mich hin, wenn Mom sich hinkniete, bekreuzigte mich, wenn sie es tat; wie alle antwortete ich im Chor auf die Formeln, aber mit meinen Gedanken war ich anderswo.
    Nach der Messe ging meine Mutter zur Beichte. Ich setzte mich auf die kalten Marmorstufen vor der Kirche und wartete auf sie.
    Meine Mutter legte einmal pro Woche die Beichte ab, manchmal zweimal. Ich habe mich oft gefragt, was sie – eine Frau, deren schlimmste Sünde gewiss nur in ihrer Phantasie existierte – überhaupt zu beichten hatte.
    Als ich noch klein war, glaubte ich, sie würde sich etwas ausdenken, so wie ich es bei meiner ersten Beichte getan hatte. Damals fragte ich mich auch, was jenseits der Eichentür lauerte, hinter der meine Mutter jede Woche verschwand. Als ich einmal in den verbotenen Kasten hineinspähte, sah ich nichts als einen schwarzen Abgrund, der mich mit Haut und Haar verschlingen würde, wenn ich die Sache nicht richtig machte. Als ich dann meine Erstkommunion hatte, schüttelte es mich bei dem Gedanken, diesen beklemmenden Ort betreten zu müssen. Meine gewissenhaft auswendig gelernte Buße: »Oh mein Gott, aus tiefstem Herzen bereue ich, gegen deine Gebote verstoßen zu haben, und ich verabscheue meine Sünden …« , löste sich in dem Moment auf, als ich im Dunkeln niederkniete und hörte, wie das Holzgitter leise knarzend beiseitegeschoben wurde. Als hinter der Trennwand die Silhouette des Priesters erschien, platzte es aus mir heraus: »Ich habe meine Erbsen nicht aufgegessen!«, und ich brach in Tränen aus.
    Für ein so kleines Mädchen war der Begriff »Sünde« zu abstrakt. Ich bin mir nicht sicher, ob er heute weniger verwirrend ist, doch als Teenager war ich mir schon ziemlich sicher zu wissen, was die Kirche als Sünde einstufte.
    Als meine Mutter aus der Kirchentür kam, fragte sie mich: »Gehst du nicht beichten, Natalie?«
    Ihre Worte überraschten mich. Ich weigerte mich, ihr in die Augen zu sehen. Ich stand auf, eilte die Stufen hinunter und sagte: »Heute nicht.« Ich konnte mir nicht vorstellen, was ein Priester, der einem verängstigten Kind fünf Ave-Marias und vier Vaterunser als Buße aufgegeben hatte, von einer sechzehnjährigen Verführerin verlangen würde.
    An diesem Abend aßen wir am Esszimmertisch, weil Father Mackenzie zu Gast war. Das beste Porzellan und das Silberbesteck kamen auf den Tisch. Und wir tranken Wein, den der Priester spendierte.
    Weder River noch Boyer tauchten zum Abendessen auf. Boyer war am späten

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