Milner Donna
dazwischen schlief ich. Und ich aß. Während der Rest meiner Familie den Appetit verlor, tröstete ich mich mit Essen.
An den Wochenenden bestand Dad manchmal darauf, dass ich ihn auf die Milchrunde begleitete. Er brauchte mich bestimmt nicht dazu, wahrscheinlich wollte er nur, dass ich mal herauskam, aber ich konnte es ihm nicht abschlagen. Wenn wir uns der Colbur Street näherten, merkte ich, wie mein Atem schneller ging.
Ich wusste, dass Elizabeth-Ann und ihre Mutter irgendwann im Sommer die Stadt verlassen hatten.
Mama Cooper hatte uns mit dem neuesten Klatsch beehrt. »Sieht so aus, als wären dem Bürgermeister die Frau und die Tochter davongelaufen«, erzählte sie Mom. »Er ist eines Abends von der Arbeit nach Hause gekommen und hat das Haus leer geräumt vorgefunden. Keine Ahnung, wie sie es geschafft haben, dass da ein Möbelwagen vorgefahren und wieder abgefahren ist, ohne dass er etwas gemerkt hat. Alle anderen haben es mitgekriegt.«
Und obwohl Mama Cooper berichtete, dass Mr. Ryan kurz danach verschwunden war, konnte ich die Panik nicht abschütteln, die mich packte, wenn wir an dem leeren Haus vorbeikamen.
Mama Cooper stand zu uns, ebenso wie die Witwe und Jake. Sie waren nicht die Einzigen, die sich weigerten, uns während dieser Monate den Rücken zuzukehren. Da waren zum Beispiel die feinen Damen von der Kirchengemeinde.
Die Dreierdelegation erschien im Herbst auf unserer Veranda. Ich war dabei, das Frühstücksgeschirr abzuspülen, als ich das Klopfen an der Fliegengittertür hörte. Niemand außer Handelsvertretern und Fremden pochte je an unsere Tür. Alle anderen traten einfach ein.
Mom blickte von der riesigen Teigkugel auf, die sie knetete, und erkannte die drei Frauen draußen auf der Veranda. Sie sahen aus wie Drillinge im Sonntagsstaat. Mit Pillboxhüten auf dem Kopf und sittsam am angewinkelten Arm hängenden Handtaschen.
»Na, na, wie komme ich zu dieser Ehre?«, fragte Mom. Sie wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab, während sie die Damen durch das Drahtgeflecht musterte. Ich war überrascht, dass sie die Tür nicht öffnete und sie hereinkomplimentierte. Vielleicht erkannte sie in ihren Augen die christliche Entschlossenheit, Vergebung zu gewähren.
»Hallo, Nettie«, sagte Mrs. Woods und überhörte Moms sarkastischen Unterton.
Gertrude Woods war die Vorsitzende des Frauenhilfsvereins. Bestimmt vermissten sie Moms aktive Beteiligung an den guten Werken dieses wohltätigen Kreises. »Wir hatten eine Besprechung«, sagte sie mit aalglatter Stimme. »Und wir sind zu dem Schluss gekommen, dass Boyer – nun, Boyer ist sicherlich von diesem Amerikaner auf Abwege geführt worden, von diesem gottlosen Drückeberger. Wir sind uns einig, dass Gott Boyer für seine ruchlosen Taten genug bestraft hat und dass er sie bestimmt bereut.«
»Ach so, da seid ihr euch einig?«, antwortete Mom und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Wir hielten es für unsere christliche Pflicht, heute hierherzukommen«, fuhr Mrs. Woods fort. »Wir sind gekommen, um dir und deiner Familie unseren Beistand anzubieten. Um zu sehen, ob es irgendetwas gibt, was wir tun können, um euch in eurer Not zu helfen.«
Das Summen des Kühlschranks dröhnte weiter, während Mom regungslos dastand. »Tja«, sagte sie endlich, »es gibt etwas, was ihr tun könnt.« Sie kniff die Augen zusammen. »Ihr könnt euch, zum Teufel noch mal, von meiner Veranda fortscheren!«
»Teufel« war auch damals nicht unbedingt ein schlimmes Schimpfwort, aber es gehörte zu den wenigen, die ich je über die Lippen meiner Mutter habe kommen hören. Die entsetzten Japser, die nun folgten, entfuhren nicht nur den drei Raben, die auf unserer Veranda in einer Reihe dastanden. Einen ähnlich japsenden Atemzug tat auch ich.
»Also, Nettie!«, schnaubte Mrs. Woods. »Wir wissen, dass hier der Kummer spricht, und haben keinen Zweifel, dass Gott dir vergeben wird.«
»Die Frage ist nur«, konterte Mom, »ob Er euch vergeben wird?« In aller Ruhe zog sie die Tür zu und ging zu ihrem Brotteig zurück. »Das ist nicht die Kirche, die hier spricht«, sagte sie zu mir, »das sind nur diese alten Schachteln, die Unruhe stiften.«
Ich war mir nicht sicher, ob Mom versuchte, mich zu überzeugen – oder sich selbst.
»Diese Stadt ist wie eine Schar deiner Küken«, hörte ich Mama Cooper später zu ihr sagen. »Nichts als Flausch und Unschuld, bis sie irgendwo eine Schwäche entdecken. Wenn sie nur ein Fleckchen Blut sehen, dann kannst
Weitere Kostenlose Bücher