Milner Donna
Ich kratzte und biss Morgan in die Arme, während ich mich zu befreien suchte. Hinter uns heulte der Motor des Traktors auf. Morgan schleppte mich weiter weg, während unser Vater mit dem Frontladerteil des Massey Ferguson in die Seite der Hütte rammte. Ich ließ erst locker, als ich das Gesicht meines Vaters sah. Er setzte das Fahrzeug zurück, um einen erneuten Anlauf gegen die Holzwand zu nehmen. Während er den Traktor immer wieder nach vorn stieß, rissen die Zinken die Schindel- und Sperrholzwand auf, bis sie auseinanderbrach und ein Loch zu Boyers Schlafzimmer aufklaffte. Von dem frischen Sauerstoff gespeist, explodierte das Feuer drinnen durch die Öffnung.
Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dass der Feuerball, der herausschoss und vor unseren Füßen landete, ein Mensch war. Es war Boyer.
38
I CH FEILSCHTE MIT G OTT. Während meine Eltern Boyer in fliegender Eile zum Krankenhaus brachten, kniete ich mich auf den Linoleumboden im Salon. Ich versprach, als Gegenleistung für das Leben meines Bruders unsägliche Buße zu tun. Während die Stunden vergingen, betete ich zunächst flehend, später wütend und drohend zu einem gleichgültigen Gott, der zuließ, dass unsere Familie von einer so großen Tragödie heimgesucht wurde. Dennoch wartete ich auf einen Anruf, ohne aber das Telefon abnehmen zu wollen – so wenig Hoffnung hegte ich, dass jener Körper, den Mom und Dad, in nasse Tücher gewickelt, auf Quilts auf den hinteren Teil des Pick-up-Trucks gebettet hatten, als Boyer zu uns zurückkehren würde.
Vor Tagesanbruch, als sich die Schatten der Nacht allmählich hinter den Bergen verkrochen, kamen Morgan und Carl, rußverschmiert und müde, von Boyers Hütte nach Hause. Wir drei setzten uns an den Küchentisch. Der Kaffee in den Bechern, die wir mit starren Händen umklammert hielten, wurde kalt. Meine Brüder erzählten mit leiser Stimme, dass das Feuer alles zerstört hatte: Boyers Bücher, Rivers Tagebücher – alles Asche.
Ich hörte zu, stumm vor Schuldgefühlen, während sie darüber spekulierten, was das Feuer verursacht haben könnte.
»Muss das Propangas gewesen sein«, meinte Carl, und Morgan nickte.
Kurz vor fünf Uhr folgte ich ihnen mit benommenem Schädel ins Freie. Während wir über den Hof gingen, um die Kühe in den Stall zu treiben, fuhr Dad vor. Als er aus dem Lastwagen stieg, sah er eingefallen und gealtert aus. Er stolperte an uns vorbei, die wir dastanden und auf Neuigkeiten warteten.
»Dad?«, rief Morgan ihm nach, mit sanfter, aber eindringlicher Stimme.
Unser Vater blieb stehen und drehte sich langsam um. Er sah uns aus leeren Augen an, als wäre er sich unserer Anwesenheit nur vage bewusst. »Sie bringen ihn mit dem Rettungswagen zum Flugplatz und dann mit dem Flugzeug nach Vancouver«, sagte er merkwürdig ausdruckslos. »Sie haben alles getan, was sie hier für ihn tun konnten. Eure Mutter begleitet ihn«, fügte er hinzu und ging in Richtung Stall davon.
Die polizeilichen Ermittlungen dauerten nur zwei Tage. Zunächst nahm die Polizei an, das Feuer sei absichtlich gelegt worden, aber es gab keine Beweise. Dieselben beiden Beamten der RCMP, die mit Mom und Boyer über River gesprochen hatten, erschienen eine Woche später mit dem Abschlussbericht. Ich stand zusammengesunken hinter der Badezimmertür und hörte zu, wie sie meinem schweigenden Vater mitteilten, dass das Feuer aus »unbekannten Gründen« irgendwo an der Vorderseite der Hütte ausgebrochen sei.
Mom blieb zwei Wochen weg. Es sollte weitere fünf Monate dauern, bis Boyer nach Hause zurückkehrte. Rivers Mutter und Großvater kamen und reisten wieder ab. Sie nahmen das, was von ihrem Sohn und Enkel übrig war, in einer Kiste aus Pinienholz mit. Sonst gab es nichts, was sie hätten mitnehmen können. Ich wusste, dass meine Mutter und Boyer, wenn sie hier gewesen wären, die richtigen Worte gefunden hätten, um ihnen Trost zuzusprechen. Ich versuchte es. Ich führte seine Mutter hinüber zur Molkerei und zeigte ihr, wo River gewohnt hatte. Ich erzählte ihr von seiner Zeit hier bei uns, darüber, wie liebevoll er immer über sie gesprochen hatte; das war, wie Boyer gesagt hatte, das Mindeste, was sie verdienten. Aber am Ende reisten sie nur mit ihrem Kummer im Gepäck wieder ab.
Unterdessen ging unser täglicher Trott weiter. Es gab Zeiten, da hörte ich, wie Morgan und Carl die Farm und ihre niemals endenden lästigen Aufgaben verfluchten, aber es war diese notwendige Routine, die sie
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