Mimikry
als hätte er sich einer schweren Last entledigt.
»Ich war noch nicht zu Hause«, sagte sie. »Wir haben wieder – viel zu tun.«
»Ich war auch beim Präsidium. Heute morgen.«
»Ich weiß. Hab dich verpaßt.«
»Der Lackaffe hat’s dir gesagt?«
»Ja.«
»Er hat mich wieder falsch angeredet. Czer witz ki.«
»Er weiß, wie du heißt, das macht er mit Absicht. Hast du wieder buchstabiert?« Mit zwei Fingern umfaßte sie sein Handgelenk, wie sie es manchmal nach der Liebe machte, um seinen Herzschlag zu spüren.
»Es tut mir so leid.« Er flüsterte fast, oder seine Stimme zitterte so, oder sie hörte plötzlich nur noch ein Rauschen in den Ohren, weil ihr Herz ein bißchen zappelig war.
»Hab ich dir alles gesagt.« Er nickte. »Auf dem Band.«
»Mir tut’s auch leid«, sagte sie. »Ehrlich. Aber paß auf, das nächste Mal, wenn du meinst, du müßtest mir eine scheuern, liegst du in der Ecke, das mal nur so.«
Er lächelte.
»Ich mein’ das so.«
»Weiß ich«, sagte er. »Bist aber auch ziemlich gemein gewesen. Hast Schrott geredet.«
»Ja. Hab ich.«
»Meine Familie ist nämlich nicht asozial, wir haben nie –«
»Ich weiß doch, ich wollte dir nur weh tun, glaub ich, ich war so genervt von allem, ich hab’s echt nicht so gemeint.«
»So ’n Quatsch, wir sind doch nicht asozial, nur weil wir viele sind.«
»Laß uns deine Mama besuchen, okay? Am Wochenende.« Sie griff nach seinen Händen. »Ich mach einen Nußkuchen, oder?«
»Mmh – sie hat doch Zucker.«
»Wieso, ich denke, sie hat Asthma.«
»Ja, hat sie auch – mmh, vielleicht Käsekuchen?«
»Gut, mach ich den.« Sie sah zu, wie er die Handflächen nach oben drehte und nun ihre Hände nahm; ihre Hände in seinen, ein einfaches Bild.
»Weißt du was?« Er streichelte ihre Finger. »Dauernd, wenn wir zusammen sind, streiten wir uns darüber, daß wir so wenig zusammen sind, hast du das gemerkt?«
»Ja, ist blöd.« Sie senkte den Kopf. Schrammen auf dem Holz des Tresens. »Ich hab mit einem Mann geredet, da hab ich –« Schrammen, die ein Muster bildeten, Striche und Kreise. »Ich meine, ich werd jetzt was unternehmen –«
»Einem Mann, was für ein Mann?«
»Ich kenn den kaum.« Sie ging einen Schritt zurück. »Ich will ihn auch nicht wiedersehen, es ist nur – na ja, wir haben über den Job geredet, das alles. Daß ich nicht ganz okay bin. Wahrscheinlich bin ich so ein bißchen –« Sie wedelte mit einer Hand vor ihrer Stirn.
» Was bist du?«
»Na ja, ich meine, ich kann mich nicht einfach versetzen lassen, ich werd das noch ’ne ganze Weile machen müssen und da kann ich wohl nicht« – sie holte Luft – »Ich hab wohl einen kleinen Schatten oder so. Mit den Leichen. Ich gewöhn mich nicht dran. Da gibt’s so einen, na, du weißt schon, Psychodings, Polizeipsychologe, da werd ich wohl mal hin.«
Aufmerksam sah er sie an. »Du tust doch immer so, als würd’s dir nix ausmachen.«
»Ich weiß nicht –« Ein Zettel auf dem Boden, Ulla. Massagen und mehr. »Ich krieg das auch bestimmt geregelt, weißt du, jetzt hab ich den Anfang gemacht.«
»Warum hast du denn mit einem anderen Kerl drüber gesprochen?«
»Ich weiß es nicht.« Sie hob den Kopf und sah ihn wieder an. »Das kam einfach.«
Er zupfte sie am Ohr. »Das packst du bestimmt.«
»Ja, ich muß. Ich such auch ’ne neue Wohnung.«
»Größer?«
»Hm. Und am liebsten mit Balkon.«
»Können wir da nicht – wir könnten die Miete teilen, ich verdiene doch.«
»Vielleicht«, sagte sie. »Ich weiß noch nicht.«
»Und dann könnten wir auch zusammen kochen und putzen und alles. Sind öfter zusammen.«
»Eins nach dem anderen.« Sie streichelte seine Wange. »Zusammenziehen ist gleich so ein Akt, laß uns erst mal klarkommen mit allem.«
Mit leisen Schritten kam der Barmann zurück, erzählte murmelnd, wie kalt es wieder sei, dann hob er die Hand.
»Macht auch Doppelschicht«, sagte Czerwinski. »Wie ich, aber ich hab’s bloß gemacht, weil ich nicht dauernd grübeln wollte. Dabei ist heute gar nix los, ich quassel schon mit Gästen in der Bar. Ich will jetzt auch Tagschichten kriegen.«
»Hoffentlich«, sagte sie. »Du, ich geh jetzt, bin hundemüde. Muß früh raus.«
Er lachte. »Wenn du jetzt deinen Anrufbeantworter abhörst, haste mich tausendmal drauf, wie es mir leid tut.«
»Dann hab ich ja noch was von dir.« Sie küßte ihn auf die Wange und dann auf den Mund, spürte seine Berührung noch im Wagen, seine Hände in ihrem Nacken.
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