Mimikry
war da und glotzte sie an, und wie sie da stand, mit ihrer hautengen Hose und den hochhackigen Schuhen, eine Schulter an den Türrahmen gelehnt, sah sie wie eine Nutte aus, abgetakelt und erbärmlich.
Biggi sah hin. Die Henkel blieb da stehen.
Sie starrte sie an, wie sie sie schon einmal angestarrt hatte, im Präsidium damals, reglos, ohne zu blinzeln, Wer zuerst wegguckt, hat verloren, ihr Bullenblick, ihre Maske.
»Frau Benz«, sagte sie langsam, »ich glaube, ich spinne. Oder spinnen Sie?«
Kalt, alles war kalt in ihren Augen. Als wäre sie schon tot und wußte es nicht.
»Was machen Sie hier?«
Logisch, ja. So eine Frage wäre ihr selber eingefallen, hörte man in jedem Krimi, was machen Sie hier. Wo waren Sie am. Biggi schüttelte den Kopf. Vielleicht war es nicht wahr.
Doch sie kam näher. Langsam, mit gleichmäßigen Schritten, Nutte auf dem Strich. Sie roch auch wie eine Nutte, nicht mehr nach Fahrenheit, sondern nach einem anderen, aufdringlichen Zeug.
»Sie wissen, was hier passiert ist, ja?« Gleichmütig ihre Stimme, hochnäsig, und ihr Blick wie ein Messer. »Die Wohnung war versiegelt, haben Sie’s gemerkt?«
Jetzt, da sie genau vor ihr stand, merkte Biggi, daß sie gleich groß waren. Sie hatte die Henkel immer für größer gehalten, sie war es aber nicht. Zog sie ihre hochhackigen Nuttenschuhe aus, wäre sie sogar noch etwas kleiner.
»Frau Benz«, sagte sie. »Ich rede mit Ihnen.«
»Ja«, sagte die Benz. Dann wurde sie wieder zu Stein.
Ina Henkel machte einen Schritt zur Seite, vielleicht mochte sie nicht, daß man ihr auf die Pelle rückte. Sie sah so aus. Sie sah immer so aus, alles abwehrend, was kam, womöglich gar Berührungen. So ängstlich. So demütig und geduckt, daß man reinschlagen mochte in dieses Gesicht, sie anfallen wie ein Tier. So war es doch, Tiere rochen Angst und wurden aggressiv.
»Frau Benz«, begann sie erneut. »Zeigen Sie mir den Schlüssel.«
»Welchen?«
Unhörbar fast. An diesem Krückstock, den sie sonst immer zu verstecken versuchte, hielt sie sich jetzt fest, als hätte sie jede Kraft verloren.
»Sind Sie durch die Wände gekommen? Zeigen Sie mir den Schlüssel, verdammt noch mal.«
»Im Flur«, murmelte die Benz. »Auf der Kommode.«
»Und weiter?« Ina Henkel fing an, sie langsam zu umkreisen, doch sie reagierte nicht. Sie stand ganz ruhig da.
»Morgen wollte ich zu Ihnen kommen.« Sie versuchte, leiser zu sprechen, vielleicht ging es so, als nette Tante. »Ich wollte Sie fragen, ob Theresa Jung in dieser Talkshow war.«
»Nein. War sie nicht.«
»Sie haben sie gut gekannt?«
»Nein. Nicht gut.«
»Das haben Sie auch von Fried behauptet und von Julia Bischof, nicht wahr? Überall laufen Sie rum und haben dann doch keinen gekannt.«
»Nicht in Ihrem Sinne gekannt.« Allmählich wurde ihre Stimme lauter. »Nichts, was Sie interessiert.«
»Aber jemand kannte sie alle recht gut, ja? Und das wissen Sie. Warum sagen Sie es nicht endlich?«
Einen Moment lang sah es aus, als würde sie lächeln, die Benz, als wäre das komisch hier. »Niemand hat sie gekannt. Theresa zum Beispiel, wollen Sie das wissen? Die haben ihr nach fünfzehn Jahren gekündigt, das hätten die gar nicht gedurft, aber sie hat sich nicht gewehrt. Hat sich verkrochen. Wie ein Vieh im Bau.«
»Weiter?« fragte Ina Henkel.
»Das war alles.«
»Warum sind Sie hier, Frau Benz? Die Wohnung war versiegelt, das haben Sie mitgekriegt, ja?«
»Weil ich etwas holen wollte, das mir gehört.«
»Was denn?«
»Persönliche Sachen.«
»So. Was haben Sie denn hier für persönliche Sachen?«
»Kleidung. Meine Sachen.«
»Kleidung«, wiederholte Ina Henkel. Ein Druck im Magen wie bei der Fahrt zum Tatort. »Welche – was für Sachen?«
Jetzt fing sie an, mit ihrem Stock auf den Boden zu klopfen, ein rhythmisches Geräusch, doch sie sagte nichts, klopfte nur.
»Was für Sachen?« Ina Henkel preßte die Handflächen gegeneinander. Sie hatte Schreihälse gehabt, die spuckten und kratzten, sie wußte nicht, was das hier war. »Was für Sachen?«
»Wollen Sie mich jetzt verhaften?« Jetzt hörte sie wieder auf mit der Klopferei, doch sie hatte sich noch immer nicht bewegt.
»Passen Sie auf, erstens verhafte ich gewöhnlich nicht, sondern nehme fest. Zweitens: Warum sollte ich Sie – hm –«
»– Töten, wegen Töten.«
»Wegen Töten, ah ja. Wen wollen Sie denn – Frau Benz, wir sind hier nicht auf einer Party –«
»– Hören Sie Ihren Ton?«
»– und spielen alberne
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